Afleveringen

  • Die heutige Episode gehört zu den wenigen, die eine gewisse Zeitlichkeit haben. Es war vor rund vier Jahren, als die Covid-Pandemie auch in Europa richtig angekommen ist. Ab 16. März 2020 wurde der erste österreichweite Lockdown verfügt. Dies war der Anfang einer ganzen Reihe von Maßnahmen, die große Auswirkungen auf Gesellschaft, Wirtschaft und Gesundheit der Menschen hatten.

    Vier Jahre später würde man erwarten, dass diese Maßnahmen, die in dieser Form einzigartig seit dem Zweiten Weltkrieg waren, breit in Wissenschaft, Medien und Öffentlichkeit reflektiert und diskutiert werden. Dies nicht nur, um die konkrete Krise aufzuarbeiten, sondern auch um zu fragen, wie wir mit zukünftigen Krisen umgehen sollten.

    Was beobachten wir in etablierten Medien, Wissenschaft und Politik? So gut wie nichts, was nach einer ernsthaften Aufarbeitung aussieht. Der Titel dieser Episode ist daher: »Covid. Die unerklärliche Stille nach dem Sturm?«

    Der heutige Gesprächspartner ist wieder Jan David Zimmermann, was mich sehr freut! Jan ist Autor, Publizist und Wissenschaftsforscher, hat auch gerade ein neues und äußerst empfehlenswertes Buch herausgebracht — Lethe, Vom Vergessen des Totalitären. Außerdem ist er Redakteur beim Stichpunkt-Magazin.

    In dieser Episode diskutieren wir nicht fachlich die Maßnahmen, die gesetzt oder unterlassen wurden, sondern vielmehr den Prozess, der zu diesen Maßnahmen geführt hat, sowie die Rolle von Wissenschaft und Expertise in diesem Zusammenhang. Wir fallen dabei nicht in die post-hoc fallacy, also aus dem Rückblick alles besser zu wissen. Sondern die Betrachtung ist eine aus der heutigen Zeit, aber vor allem hinsichtlich der Frage, was wir richtig und falsch gemacht haben, und wie wir von hier an weitergehen sollten. Wir versuchen also (nach Heinz von Förster) eine Beobachtung zweiter Ordnung.

    Was hat Corona angestoßen oder welche Trends in der Gesellschaft deutlicher gemacht? Beobachten wir neue totalitäre Tendenzen, eine Polarisierung, wie Wissenschaft in Krisen agiert?

    Covid per se bedarf einer Nachbearbeitung, aber auch die Folgeeffekte auf Wissenschaft, Politik und Gesellschaft für andere, ähnliche Probleme. Denn es wird fallweise behauptet, wir hätten einen Mechanismus, eine »Blaupause« entwickelt, um auch mit anderen (ähnlichen) Krisen umzugehen. Ist diese wünschenswert und Erfolg versprechend?

    Was bedeutet Ausnahmezustand; vor allem, auch wenn damit langfristig Politik gemacht wird?

    »Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet«, Carl Schmitt

    Wie autoritär ist Gesellschaft der vormaligen »Mitte« geworden? Alle möglichen ideologischen Seiten finden autoritäre Ideen und auch Gewalt plötzlich rechtfertigbar?

    Was bedeutet Entscheiden unter Unsicherheit — oder allgemeiner: Wie sollten wir als Gesellschaft mit Unsicherheit umgehen? Wir diskutieren die verschiedenen Aspekte in Bezug auf folgende Phasen der Krise:

    Zeit vor 2020Frühjahr/Sommer 2020Herbst-Winter 2020 (vor der Impfung)Nach der Impfung 20212022 und später

    Wie gefährlich kann Forschung sein? Gain of Function Research, Lab Leaks? Wer sollte über solche Wissenschaft entscheiden?

    »Wissenschaft ist nicht einfrieren von Erkenntnis«

    Zur Cochrane Studie über Masken siehe Podcast Episode 72.

    Was bedeutet Krisenmanagement in solchen Situationen? Haben wir Maßnahmen von Privilegierten für Privilegierte auf dem Rücken der restlichen Gesellschaft erlebt?

    »Luxury beliefs are the new status symbols«, Rob Henderson

    Das Verhalten der Wissenschaft während der Pandemie wurde von einzelnen hochrangigen Wissenschaftern wie John Ioannidis untersucht, und das Ergebnis war wenig schmeichelhaft:

    »Even the best peer-reviewed journals often presented results with bias and spin.«

    »Whatever the origins of the virus, the refusal to abide by formerly accepted norms has done its own enormous damage.«

    »most of this work was of low quality, often wrong, and sometimes highly misleading.«

    »The disdain for reliable study designs was even celebrated.«

    »Big Tech companies […] developed powerful censorship machineries«

    »There was a clash between two schools of thought, authoritarian public health versus science—and science lost.«

    Man muss sich nach solchen Analysen natürlich die Frage stellen: Sind unsere Wissenschaftstugenden mittlerweile völlig korrodiert?

    Was hat es mit der Great Barrington Declaration auf sich und was waren die unerfreulichen Folgen für die beteiligten Wissenschafter?

    Niemand wird primär dafür kritisiert, im Jahr 2020 Fehler gemacht zu haben, aber wenn man sich 2024 dafür rühmt ist das ernüchternd. Dies zeigt sich auf drastische Weise am Auftritt des deutschen Soziologen Heinz Bude (der Mitglied des deutschen Krisenstabes war):

    Heinz Bude: »Noch einmal aus dem Nähkästchen geplaudert: Wir müssen ein Modell finden, um Folgebereitschaft herzustellen, dass so ein bisschen wissenschaftsähnlich ist. Und das war diese Formel flatten the curve. Wie können wir die Leute überzeugen mitzutun... Das sieht so nach Wissenschaft aus. Wenn ihr schön diszipliniert seid, könnt ihr die Kurve verändern. […] Das haben wir geklaut von einem Wissenschaftsjournalisten. Das haben wir nicht selber erfunden. Wir fanden das irgendwie toll, dass man so ein Quasi-Wissenschaftsargument hat.«

    Anderer Diskutant: »Das bedeutet, dass sich die Wissenschaft in einem normativ vorgegebenen Rahmen engagiert. […] Diese normativen Vorgaben muss man einkaufen«

    HB: »Wissenschaft ist ja auch operativ interessant. «

    AD: »Aber wenn man sich normativ sehr sicher ist. Ich glaube, viele Leute waren sich sehr schnell sehr sicher.«

    Bude zuckt mit den Achseln.

    Heinz Bude war außerdem ein Verfechter der Zero-Covid Idee, die sehr schnell diskreditiert war. Was bedeutet es auch, wenn Wissenschaft »operativ interessant« wird?

    Das Vertrauen in die Wissenschaft geht verloren — wie ist das zu bewerten? Wird hier nicht oftmals Ursache mit Wirkung verwechselt? Wie kann das Vertrauen in Institutionen und Wissenschaft wieder hergestellt werden?

    Matt Taibbi spricht im Rahmen der Twitter Files vom Censorship Industrial Complex »Twitter was more like a partner to government «

    Wissenschaft ist immer stark mit Macht verwoben, wie steht das im Verhältnis zum Erkenntnisgewinn? Aber auch die Medien erfüllen ihre Aufgabe in keiner Weise. Wie gehen wir damit um? Wie kann entschieden werden, was legitime Kritik und was schlicht Unsinn ist? Wie konnte es passieren, dass liberale Nationen wie Kanada, Australien und Neuseeland in autoritäre Strukturen abgeglitten sind? Damit stellt sich die fundamentale Frage: Wie lange darf ein Krisenmoment dauern?

    »Moralpolitik hat die Sachpolitik abgelöst«

    Auf der »richtigen« Seite zu sein wird wichtiger als das Richtige zu tun. Und das Richtige wird mit allen Mitteln durchgesetzt, nicht nur mit harten Maßnahmen, sondern auch mit Soft Power wie Nudging.

    Dabei wird die eigentlich wichtige Frage gerne übersehen: Wer bestimmt, was das Richtige für mich ist?

    »The dictatorship of the future will be very unlike the dictatorships we experienced in the past. […] If you want to preserve your power indefinitely, you have to get the consent of the ruled. […] Making him actually love his slavery. Being happy under the new regime.«, Aldous Huxley

    Das Totalitäre ist stärker von klaren Strukturen und nicht von Inhalten bestimmt:

    »Das Totalitäre ist stärker ein wie als ein was.«

    Referenzen

    Andere Episoden

    Episode 88: Liberalismus und Freiheitsgrade, ein Gespräch mit Prof. Christoph MöllersEpisode 85: Naturalismus — was weiß Wissenschaft?Episode 84: (Epistemische) Krisen? Ein Gespräch mit Jan David ZimmermannEpisode 83: Robert Merton — Was ist Wissenschaft?Episode 80: Wissen, Expertise und Prognose, eine ReflexionEpisode 79: Escape from Model Land, a Conversation with Dr. Erica ThompsonEpisode 76: Existentielle RisikenEpisode 74: Apocalype AlwaysEpisode 72: Scheitern an komplexen Problemen? Wissenschaft, Sprache und Gesellschaft — Ein Gespräch mit Jan David ZimmermannEpisode 47: Große WorteEpisode 39: Follow the Science?Episode 37: Probleme und LösungenEpisode 25: Entscheiden unter Unsicherheit

    Jan David Zimmermann

    HomepageFacebook: Jan D. ZimmermannInstagram: j._zimmermannBuch: Lethe. Vom Vergessen des TotalitärenStichpunkt Magazin

    Fachliche Referenzen

    Sitzungsprotokoll der "Taskforce Corona" über zu wenig Angst in der Bevölkerung, Der Standard (2020)Regierungsprotokoll: Angst vor Infektion offenbar erwünscht, ORF (2020)Internes Papier aus Innenministerium empfahl, den Deutschen Corona-Angst zu machen, Focus (2020)Wie wir COVID-19 unter Kontrolle bekommen. Strategiepapier des Bundesinnenministeriums. Umstritten. Ein journalistisches Gütesiegel. Fitfty Fifty/ Westend Verlag (2024)Das integrative Empire: Wissensproduktion und kulturelle Praktiken in Habsburg-Zentraleuropa (Global- und Kolonialgeschichte). transcript Verlag (2023)Jürgen Habermas: Technik und Wissenschaft als Ideologie Suhrkamp (1968)Rob Henderson, Luxury BeliefsJohn Ioannidis, How the pandemic is changing pandemic norms (2021)Great Barrington Declaration (2020)Heinz Bude im Gespräch 2024Zero Covid, No Covid, Artikel im Deutschlandfunk (2021)Susanne Gaschke, Interview in der NZZ: »Sie wollten ganze Landkreise abschotten!« – »Ich würde immer noch so vorgehen, wie wir es getan haben!« (2023)Alexander Bogner, Nach Corona (2023)Matt Taibbi, The Censorship Industrial Complex (2023)Telegraph, The Lockdown FilesEin neuer Bericht offenbart Pläne für eine Veränderung von Coronaviren – kurz vor der Pandemie, NZZ (2021)Richard Thaler, Cass Sunstein, Nudge, Yale University Press (2008)WEF Artikel (2021) mit Interview Cass SunsteinGesundheitspolitik: Nudging: Anstupsen für den guten Zweck (Spektrum 2015)Nudging Task Force unter Obama (2015)Rainer Mausfeld im Gespräch über sein neues Buch, Hybris und Nemesis (2023)Jesse Singal, The Quick Fix: Why Fad Psychology Can't Cure Our Social Ills, Farrar, Straus and Giroux (2021)Margaret Heffernan, Uncharted, Simon & Schuster UK (2020)Shoshana Zuboff, The Age of Surveillance Capitalism: The Fight for a Human Future at the New Frontier of Power, Profile Books (2019)Aldous Huxley über Diktaturen der Zukunft (1958)Martin Kulldorff: Fired by Harvard for getting Covid right, Unherd (2024)Vinay Prasad, Martin Kulldorff was wrongly fired from Harvard Medical School (2024)
  • In Episode 80 habe ich mich schon einmal mit dem Thema Wissen und Expertise auseinandergesetzt, damals eher mit dem Fokus auf die Frage wie gut (oder schlecht) Prognosen in der Realität sind, und woran das liegen könnte.

    In dieser Episode versuche ich einige weitere Gedanken zu entwerfen und ersuche explizit um Feedback, was Sie davon halten.

    Ich diskutiere einige Ideen zu den Fragen:

    Wo steckt in einer Gesellschaft Wissen, wo steckt ExpertiseGibt es Grenzen der Expertise (in komplexen Systemen)Wie kann sich das Verhältnis von Expertise zu Wissen über die Zeit verändernIn welchem Verhältnis stehen diese beiden Begriffe generell zueinander

    Das Ganze natürlich wieder mit zahlreichen Beispielen.

    Referenzen

    Andere Episoden

    Episode 86: Climate Uncertainty and Risk, a conversation with Dr. Judith CurryEpisode 80: Wissen, Expertise und Prognose, eine ReflexionEpisode 79: Escape from Model Land, a Conversation with Dr. Erica ThompsonEpisode 72: Scheitern an komplexen Problemen? Wissenschaft, Sprache und Gesellschaft — Ein Gespräch mit Jan David ZimmermannEpisode 68: Modelle und Realität, ein Gespräch mit Dr. Andreas WindischEpisode 41: Intellektuelle Bescheidenheit: Was wir von Bertrand Russel und der Eugenik lernen könnenEpisode 39: Follow the Science?Episode 37: Probleme und LösungenEpisode 27: Wicked ProblemsEpisode 25: Entscheiden unter UnsicherheitEpisode 17: Kooperation

    Fachliche Referenzen

    Dieter Macek: Eine Gesamtgenealogie der griechisch-mediterranen MythologieThomas Sowell, Intellectuals and Society, Basic Books (2012)Matt Ridley, How Innovation Works, Fourth Estate (2020)Aspirin & SalizylsäureNobelpreis zur Acetylsalicylsäure: Sir John Robert Vane (1982)Calvin CoolidgeThe Medical Context of Calvin Jr.’s Untimely Death (Coolidge Foundation)
  • Zijn er afleveringen die ontbreken?

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  • Ich freue mich, dass ich Prof. Ehrmann und Prof. Sommer gewinnen konnte, um über die erheblichen Probleme der heutigen Forschungs- und Uni-Landschaft zu sprechen. Ist die Universität zu einem Turnier verkommen, das eher einem Heidi-Klum-Wettbewerb entspricht als ernsthafter Wissenschaft?

    Prof. Ehrmann leitet das Institut für Strategisches Management an der Universität Münster. Er hat eine weite Erfahrung sowohl in der Wissenschaft als auch in Industrie und Politik, so war er unter anderem Senior Manager bei PWC Corporate Finance und 17 Jahre lang Mitglied der Advisory Group der Deutschen Bahn.

    Prof. Michael Sommer studierte Alte Geschichte, Latein, Griechisch, Politikwissenschaften, neuere Geschichte und Vorderasiatische Archäologie. Nach seiner Promotion an der Universität Freiburg verbrachte er zwei Jahre als Visiting Fellow am Wolfson College in Oxford. Von 2005 bis 2012 war er Dozent für Alte Geschichte an der Universität von Liverpool. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Wirtschafts-, Sozial-, Mentalitäts- und Institutionsgeschichte des Römischen Reiches und die Geschichte der Levante in allen Epochen.

    Wird Volkswirtschaft naturwissenschaftlich(er)? Was ist die Währung in der Wissenschaft? Welche Bedeutung und Folge(n) hat die Replikationskrise, die in der Psychologie große Wellen geschlagen hat, aber im Grunde weite Bereiche der Wissenschaft betrifft?

    Was ist von Drittmitteln als Kriterium für wissenschaftlichen Erfolg zu halten und welche Effekte haben ständige Evaluierungen? Führt dies zu einem selbstzerstörerischen System?

    Es gibt gute Hinweise darauf, dass Qualität und Output in der Wissenschaft stetig zurückgehen, was ist davon zu halten? Es wird viel »Wissen« generiert, aber ist dieses »Wissen« weitgehend nutzlos oder gar Pseudowissenschaft? Was ist der Zusammenhang zwischen eingesetzten Steuermitteln und wissenschaftlichen Ergebnissen?

    Aber nicht nur die Wissenschaft ist in der Krise, auch die Ausbildung ist betroffen; wird etwa die Studierfähigkeit der jungen Studenten immer schlechter und ist die stetig zunehmende Akademisierung des Landes sinnvoll? War die Bologna-Reform ein Fehler?

    »Brauchen wir 10.000 Leute, die Gender-Studies studieren, während es auf der anderen Seite an Klempnern und Pflegekräften mangelt.«

    Ist der Akademiker von heute von der Qualifikation kaum dem Maturant/Abiturient der Vergangenheit überlegen? Wenn das so weitergeht: nennen wir die Uni in wenigen Jahrzehnten Berufschule? Das kann doch kaum eine effiziente Form der Ausbildung sein? Nicht jeder ist Einstein — an welcher Stelle erfolgt die Selektion? Je später sie erfolgt, desto schmerzhafter ist sie für den Einzelnen und desto teurer für das System?

    »Die Snowflakes, die da von der Uni kommen [Lehramt], denen hat nie jemand gesagt, dass ihre Arbeit eigentlich Scheiße ist und die sitzen jetzt im Studienseminar und sind zum ersten Mal Kritik ausgesetzt«

    In welchem Zusammenhang steht der an den Unis (vor allem in den USA) überkochende Antisemitismus mit den oben genannten Problemen? Hat der woke Unfug nun tatsächlich die Überhand gewonnen?

    »Das Einschränken von Meinungskorridoren, das Niederbrüllen von Meinungen die einem nicht passen […] ist eine direkte Folge des Kompetenzrückgangs«

    Erleben wir Zensur von oben oder eher eine eigenartige Form der intellektuellen Selbstverstümmelung?

    “The restraints on freedom of speech and repression that are existing on formally liberal societies are not imposed by dictatorial or authoritarian governments on the whole. They are imposed by civil institutions themselves.”, John Gray

    Gibt es härtere und weichere Disziplinen?

    »Mutiges Meinen statt sauberer Analyse?«

    Rentiert es sich für Studenten überhaupt noch, an diese Uni zu gehen? Welche Rolle spielt die Universität jenseits des Signalisierens und leidet nicht auch schon das Signalisieren unter den offensichtlichen Qualitätsmängeln?

    “My best guess says signaling accounts for 80% of education’s return”, Bryan Kaplan

    Der britische Premierminister Rishi Sunak beschreibt die Universität für viele als irreführenden Traum:

    “Too many university students are sold a false dream”

    Muss die Uni neu erfunden werden, oder ist eine schrittweise Verbesserung möglich und sinnvoll?

    »Die Uni hat sich schon oft am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen, es gibt eigentlich keinen Grund, dass dies nicht wieder gelingen kann«

    Referenzen

    Andere Episoden

    Episode 85: Naturalismus — was weiß Wissenschaft?Episode 83: Robert Merton — Was ist Wissenschaft?Episode 75: Gott und die Welt, ein Gespräch mit Werner Gruber und Erich EderEpisode 67: Wissenschaft, Hype und Realität — ein Gespräch mit Stephan SchleimEpisode 49: Wo denke ich? Reflexionen über den »undichten« GeistEpisode 47: Große WorteEpisode 38: Eliten, ein Gespräch mit Prof. Michael HartmannEpisode 34: Die Übersetzungsbewegung, oder: wie Ideen über Zeiten, Kulturen und Sprachen wandern – Gespräch mit Prof. Rüdiger LohlkerEpisode 28: Jochen Hörisch: Für eine (denk)anstössige Universität!Episode 6: Messen, was messbar ist?

    Artikel und Referenzen von Prof. Sommer und Ehrmann

    Thomas Ehrmann, Michael Sommer, Willkommen an der Heidi-Klum-Universität, FAZ (2023)Thomas Ehrmann und Aloys Prinz, Aufgeweckte Kapitalisten, FAZ (2021)Aloys Prinz, Thomas Ehrmann, Academia as a league system, Journal of Business Economics (2021)Thomas Ehrmann und Aloys Prinz, Die Champions League lohnt sich nicht, FAZ (2022)

    Fachliche Referenzen

    Max Koslow, ‘Disruptive’ science has declined — and no one knows why, Nature (2023)Nicholas Bloom et al, Are Ideas Getting Harder to Find? (2020)Julian Nida-Rümelin, Der Akademisierungswahn (2014)Jochen Hörisch, Die ungeliebte Universität – Rettet die Alma Mater, Carl Hanser (2006)Liessmann — Theorie der Unbildung, Piper (2008)John Gray im Gespräch mit Unheard (2023)Bryan Caplan, The Case against Education, Princeton University Press (2019)Anna I. Krylov, The Peril of Politicising Science (2021)Woke Antisemitism: A Reckoning, Quillett (2023)Konstantin Kisin, The Day the Delusions Died | The Free Press (2023)Rishi Sunak, Too many university students are sold a false dream, Telegraph (2023)
  • Im heutigen Podcast werde ich einige unterhaltsame aber auch ernsthafte Geschichten erzählen, zu einem Thema, das ich in verschiedenen anderen Episoden schon angesprochen habe: »Unintended Consequences — Unerwartete Folgen«

    In dieser Episode wird es also weniger um eine tiefe Analyse der Gründe für unerwartete Folgen bestimmter Maßnahmen gehen, sondern es soll vielmehr die Breite und Tragweite der Problematik anschaulich gemacht werden. Dies trifft sowohl auf die Fälle zu, wo die unerwünschten Folgen negativer als auch positiver Natur sind.

    In der Episode spreche ich Beispiele aus der Chemie, der Ökologie, Politik und Wissenschaft an. Es ist auch das erste Mal, dass mit Barbara Streisand eine Schauspielerin und Sängerin thematisiert wird, oder besser gesagt, ihre Villa am Strand!

    Welche Rolle spielen simple und komplexe Systeme, oder Probleme mit engem oder weitem Kontext?

    Was können wir tun, um schwerwiegende unerwünschte Folgen zu vermeiden und positive zu begünstigen?

    “All history is the history of unintended consequences.”, T. J. Jackson Lears

    Referenzen

    Andere Episoden

    Episode 86: Climate Uncertainty and Risk, a conversation with Dr. Judith CurryEpisode 80: Wissen, Expertise und Prognose, eine ReflexionEpisode 76: Existentielle RisikenEpisode 72: Scheitern an komplexen Problemen? Wissenschaft, Sprache und Gesellschaft — Ein Gespräch mit Jan David ZimmermannEpisode 69: Complexity in SoftwareEpisode 37: Probleme und LösungenEpisode 27: Wicked ProblemsEpisode 25: Entscheiden unter UnsicherheitEpisode 23: Frozen AccidentsEpisode 10: Komplizierte Komplexität

    Fachliche Referenzen

    Rory Sutherland, Alchemy, Virgin Digital (2019)Los Angeles Times, Unintended consequences of conserving water: leaky pipes, less revenue, bad odors (2015)Rachel Carson, Silent Spring, Penguin Classic (1962)Bloomberg, Tree Planting Program in Mexico may Encourage Deforestation (2021)Tokunaga, E., Yamamoto, T., Ito, E. et al. Understanding the Thalidomide Chirality in Biological Processes by the Self-disproportionation of Enantiomers. Sci Rep 8, 17131Barbara Streisand Estate (Photo): Copyright (C) 2002 Kenneth & Gabrielle Adelman, California Coastal Records ProjectThomas Sowell, Intellectuals and Society, Basic Books (2012)Vaclav Smil, Invention and Innovation: A Brief History of Hype and Failure, MIT Press (2023)Reason TV, Great Moments in Unintended Consequences (YouTube Playlist)Niall Ferguson on Regulation (YouTube), Zitat T. J. Jackson Lears
  • Is the political left and right position changing regularly? For many years now, I have been getting more and more uneasy when pundits and journalists use the “left/right” dichotomy. In my lifetime, I have observed numerous political topics that were once at the core of “left” politics that suddenly are named “right” and vice versa.

    I then came across the book with the very name “The Myth of Left and Right” and it is a terrific read. So I was very excited that one of the authors, Hyrum Lewis agreed to a conversation.

    Hyrum Lewis is a professor of history at BYU-Idaho and was previously a visiting scholar at Stanford University. He received a PhD from the University of Southern California and has written for the Wall Street Journal, Quillette, RealClearPolitics, The Washington Examiner, and other national publications. His most recent book, The Myth of Left and Right (co-authored with Verlan Lewis) was published by Oxford University Press in 2023.

    Moreover, this episode fits very nicely with the previous episode with Prof. Möllers on liberalism, so if you are a German speaker, please check this one out as well.

    Political realities do not map to a single variable or descriptor—there is no such thing as a political monism. Are “left” and “right” just post-hoc narratives where we try to construct ideologies that are not actually there?

    We observe a regular flip-flopping in history; what are prominent examples?

    “There is no left and right; there are just two tribes, and what these tribes believe and stand for will change quite radically over time since there is no philosophical core uniting the tribe.”

    I, personally, have a profound problem with the term “progressive”, but more generally, what do these terms even mean: progressivism, conservatism, reactionary, liberal?

    “It is a loaded and self-serving term […] what is considered progressive changes from day to day.”

    “If you don't agree with every policy we believe in […] then you are obviously on the wrong side of history. You are standing against progress.”

    So, are left and right not a philosophy but rather a tribe?

    Is the definition of conservatism maybe easier? There is a nice brief definition: "Conservatism is democracy of the deceased,” Roger Scruton makes the astute observation that there are so many more ways to screw up and so little ways to do right. But does this help in practice?

    “Every person on that planet wants to conserve things that are good and change things that are bad. We are all progressive, and we are all conservative. We just don't agree on what is good and what is bad.”

    What are examples where positions are unclear or change over time.

    “In 1903, President Theodore Roosevelt visited Yosemite and was guided by naturalist John Muir. The two men spent three memorable nights camping, first under the outstretched arms of the Grizzly Giant in the Mariposa Grove of Giant Sequoias, then in a snowstorm atop five feet of snow near Sentinel Dome, and finally in a meadow near the base of Bridalveil Fall. Their conversations and shared joy with the beauty and magnificence of Yosemite led Roosevelt to expand federal protection of Yosemite, and it inspired him to sign into existence five national parks, 18 national monuments, 55 national bird sanctuaries and wildlife refuges, and 150 national forests.”, Roosevelt, Muir, and the Grace of Place (NPR)

    Teddy Roosevelt was a Republican. And here again, a “hiccup”: even though Teddy Roosevelt was a Republican, he called himself a progressive.

    In reality, though, if you see someone on the street in a mask, you can predict with high certainty the other political assumptions of this person. How come? Is there now an underlying disposition, or is there not? Or is it much more a phenomenon of tribal or social conformity?

    Is the left-right model, at least, useful? What can we learn from past US presidents such as Donald Trump, Bill Clinton, George W. Bush in that regard?

    Is the political discourse at least more reasonable at universities and among “elites”? Or maybe even more troubled and more conforming to their very tribe?

    If “normal” people are in general “moderate” on important topics (like abortion), why do major political parties play for the few on the extreme ends of the opinion spectrum?

    More generally, some educated people describe themselves as “moderate” or “centrist.” Does this even mean anything, and would it be desirable?

    What about “realism” vs. “utopianism”?

    “Both status quo conservatives and progressive technocrats share a common element: the hostility to open-ended change, guided not by planners but by millions of experiments and trial and error. For both, the goal is stasis, it’s just that one group finds it in the past, the other one in the future.”, Virginia Postrel

    A lot of these errors are made under the more elementary mistake that we can know, predict, or foresee the future, especially when we take actions. What can we learn from Phil Tetlock and Dan Gardners forecasting studies?

    “To be a true progressive, you cannot be a progressive”

    “Our media does not reward granular, careful, and probabilistic analysis.”

    So, is it not more significant to distinguish between authoritarian and non-authoritarian politicians or political methods?

    But can we be optimistic about the future when non-tribal podcasters like Joe Rogan or Coleman Hughes have audiences that are larger than most legacy media outlets combined?

    Is democracy over time the best way to deal with complex situations and challenges? Is there a value in slowness, and are we not just too impatient?

    References

    Other Episodes

    Episode 88: Liberalismus und Freiheitsgrade, ein Gespräch mit Prof. Christoph MöllersEpisode 84: (Epistemische) Krisen? Ein Gespräch mit Jan David ZimmermannEpisode 80: Wissen, Expertise und Prognose, eine ReflexionEpisode 57: Konservativ UND Progressiv

    Hyrum Lewis

    Hyrum Lewis at BYU-IdahoHyrum Lewis, Verlan Lewis, The Myth of Left and Right, Oxford University Press (2022)Hyrum Lewis, It's Time to Retire the Political Spectrum, Quillette (2017)Hyrum Lews Blog

    Other References

    Roger Scruton, How to be a conservative, Bloomsbury Continuum (2019)Johan Norberg, Open: The Story of Human Progress, Atlantic Books (2021)Karl Popper, The Poverty of Historicism, Routledge ClassicPhil Tetlock, Dan Gardner, Superforecasting, Cornerstone Digital (2015)Tim Urban, What's Our Problem?: A Self-Help Book for Societies (2023)Nicholas Carr, The Shallows, Atlantic Books (2020)Roosevelt, Muir, and the Grace of PlaceJoe Rogan PodcastColeman Hughes Podcast
  • Ich habe vor einiger Zeit das hochinteressante Buch »Freiheitsgrade« von Christoph Möllers gelesen. Ich hatte im vorigen Jahr die Gelegenheit, mit Prof. Möllers in Berlin zu sprechen:

    Christoph Möllers studierte Rechtswissenschaf­ten, Philosophie und Komparatistik in Tübingen, Madrid und München, habilitiert in Heidelberg und ist aktuell Permanent Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin. In dieser Funktion beschäftigt er sich insbesondere um das Projekt Recht im Kontext. Zugleich arbeitet er an der Juristischen Fakultät der HU.

    Er ist Träger des Leibniz-Preises der DFG, des Schader-Preises und des Tractatus-Preises sowie Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.

    Was ist liberal, libertär wie unterscheidet sich die Verwendung international? Was ist der Zusammenhang mit der französischen Revolution?

    »good things are easily destroyed, but not easily created.«, Roger Scruton über Konservativismus

    Was ist das Paradox konservativer Politik? Bedeutet konservativ gestalten zu müssen bewahren? Was aber ist zu bewahren? Aber wie steht »links« oder »«liberal« im Vergleich dazu?

    Welche Rolle spielt Intervention in verschiedenen Ideologien?

    »intrinsic values emerge from social cooperation. They are not imposed by some outside authority or instilled through fear. They grow from below, through relations of love, respect and accountability.«, Roger Scruton

    Welche Rolle spielen soziale- und Rechtsnormen? Wie wirken diese aufeinander? Gelingt die Gestaltung von Sozialnormen durch Rechtsnormen?

    "Kommt zuerst die Sittlichkeit und dann die Rechtsform oder hat die Rechtsform auch Einflüsse?"

    Warum sind die Libertären in Europa kaum vorhanden? (im Gegensatz zu den USA) Warum war die Prohibition in den USA möglich, während das in Europe nicht durchsetzbar gewesen wäre?

    Was ist die Rolle von politischer Vielfalt, arbeiten wir heute aktiv dagegen?

    Wie gestalten wir sinnvollerweise in komplexen Sachzusammenhängen? Bottom up oder top down? Wie bildet sich das auf die politischen Strömungen ab und was kann funktionieren?

    »Linke« und »rechte« Parteien tauschen die regelmäßig Rollen und Ansichten, dazu wird es auch noch später eine weitere Episode geben — stay tuned!

    »Moralisieren macht jede Verständigung unmöglich. […] Im Extremfall, der leider immer häufiger eintritt, sieht der politische Moralist im politischen Gegner einen Unmenschen. […] Politik ist der notwendige Kompromiss mit dem Bösen.«, Norbert Bolz

    Ist Moralisieren etwas Neues in der Politik?

    »Entrüstung gilt heute als Echtheitsbeweis, aber wer moralisch entrüstet ist, kann nicht mehr klar denken.«, Norbert Bolz

    Steigt die Aggressivität in der politischen Auseinandersetzung, erleben wir eine Verrohung des Diskurses bei gleichzeitigem Verschwimmen von Privatsphäre und Öffentlichkeit? Besteht hier ein Zusammenhang mit dem beschriebenen Moralisieren? Wenn die Schwellen der Kommunikation verschwinden (auch technisch), was sind die Konsequenzen?

    “Transparenz ist das Schlagwort der zweiten Aufklärung.”, Byung-Chul Han

    Ist mehr Transparenz (in Politik, Gesellschaft) wirklich immer besser? Die Gefahren der Transparenz (Byung Chul-Han). Das Panoptikon ist eigentlich offensichtlich kein Bild der Freiheit und dennoch wird Transparenz heute so verkauft.

    Braucht Freiheit Intransparenz? Hilft Transparenz wenigstens Korruption zu verringern?Besteht ein Zusammenhang damit, dass wir in den westlichen Gesellschaften immer weniger auf die Reihe bekommen?

    Wie sieht es mit Handlungsfähigkeit gegenüber individuellen Rechten aus?

    »Demokratie ist eine träge Maschinerie, konzipiert, um Entscheidungen zu verlangsamen«, Herfried Münkler

    Ist die prozessualisierte Langsamkeit nicht vielleicht in Summe doch schneller? Wie steht es um Konsensbildung vs. Konfrontation?

    Wenn wir Menschen wie Kinder behandeln verhalten sie sich wie Kinder? Was ist vom »Nudgen« zu halten? Sind die Bürger zu blöd selbst zu denken aber doch schlau genug zu wählen — pflegen viele Eliten nicht ein paternalistisches Bild, das zutiefst undemokratisch und auch fundamental falsch ist?

    Ist die klassische sozialdemokratische Idee »von der Wiege bis zur Bahre« einer der Bevormundung oder der Ermächtigung der Massen zur Selbstbestimmung? Muss man intervenieren um Chancengleichheit zu bekommen?

    »Es ist ein Dilemma linker Politik, besonders an materieller Versorgung interessiert zu sein, aber keine Mechanismen anbieten zu können, die diese freiheitsfreundlich gewährleisten.«

    Was sind die Schattenseiten der Aufklärung?

    Gibt es katholische und protestantische Atheisten?

    Was ist von Meritokratie zu halten? Der amerikanische Philosoph Michael Sandel sieht diese ja sehr skeptisch. Zurecht? Woran liegt Chancenungleich? Betreiben wir regelmäßig Survivorship Bias? Welche Rolle spielt das Glück?

    Wie werden Rechte wahrgenommen und entwickeln sich über die Zeit und warum kann die Nutzung von Rechten zu Irritationen führen?

    Was bedeutet Meinungsfreiheit. Mangelt es an Meinungsfreiheit oder an zivilisiertem Umgang? Was haben wir am Beispiel von Twitter über Zensur und staatliche Intervention gelernt? Welche Rolle spielen privatwirtschaftliche Internet-Plattformen? Wie können diese gesellschaftlich reguliert werden?

    Wie spielen Krise und Freiheit zusammen? Wer hat die Deutungshoheit, was eine Krise ist und wer definiert die Konsequenzen? Ist dies ein Konflikt Alt gegen Jung? Wer setzt Prioritäten?

    Wie hat sich der Begriff der Freiheit von John Stuart Mill bis zur heutigen Zeit verändert, ist diese Veränderung wünschenswert?

    »Aus fundamentalen Abwehrrechten gegenüber staatlicher Gewalt und Willkür wurden ausufernde Anspruchsrechte, für deren Einlösung ein paternalistisch gedachter Staat verantwortlich gemacht werden soll. Aus dem Recht der Bürger, nach ihrem Glück zu streben, wurde längst die Pflicht des Staates, für dieses Glück zu sorgen. Dass in einer Demokratie die Bürger diesen Staat ausmachen und deshalb solche Forderungen an sich selbst adressieren müssten, wird gerne vergessen. Die Einsicht, dass es keine Rechte ohne Pflichten gibt, wird heute ziemlich einseitig interpretiert: Die Rechte des einen sind jedoch stets die Pflichten des anderen.«, Konrad Paul Liessmann

    Was geschieht, wenn die Freiheit dazu führt, dass die Menschen die Freiheit abschaffen oder reduzieren wollen?

    "Es funktioniert auch unglaublich viel."

    Kritisieren wir auf hohem Niveau? ist das unhistorisch?

    »Die Intellektuellen scheinen sich geradezu verschworen zu haben, uns immer wieder zu erzählen, wie schlecht die Welt ist, in der wir leben. Ich halte das für einen fürchterlichen Unsinn, eine wirkliche Lüge, die aber fast allgemein geglaubt wird. In der Zeit meiner Jugend, gab es in Deutschland, Österreich, Frankreich, England noch Sklaverei. Vor allem Frauen waren damals versklavt – als Haushaltsgehilfinnen, Köchinnen, Wäscherinnen usw. […] Daneben hat es fürchterliches Elend gegeben.«, Karl Popper

    Referenzen

    Andere Episoden

    Episode 72: Scheitern an komplexen Problemen? Wissenschaft, Sprache und Gesellschaft — Ein Gespräch mit Jan David ZimmermannEpisode 65: Getting Nothing Done — Teil 2Episode 64: Getting Nothing Done — Teil 1Episode 58: Verwaltung und staatliche Strukturen — ein Gespräch mit Veronika LévesqueEpisode 57: Konservativ UND ProgressivEpisode 44: Was ist Fortschritt? Ein Gespräch mit Philipp BlomEpisode 38: Eliten, ein Gespräch mit Prof. Michael Hartmann

    Christoph Möllers

    Lehrstuhl Christoph MöllersChristoph Möllers, WerdegangChristoph Möllers, Freiheitsgrade, Suhrkamp (2020)

    Fachliche Referenzen

    Norbert Bolz, Keine Macht der Moral, Matthes und Seitz Berlin (2021)Byung-Chul Han, Psychopolitik, S. Fischer (2014)Panopticon (Wikipedia)Nudging: Jesse Singal, The Quick Fix: Why Fad Psychology Can't Cure Our Societal Ills, Farrar, Straus and Giroux (2021)Von der Wiege bis zur Bahre — SozialdemokratieThe Free Press, Why we went to TwitterMarshall Matters (Spectator), Michael Shellenberger, The Censorship Industrial Complex (2023)Konrad Paul Liessmann, Lauter Lügen, Paul Zsolnay (2023)John Stuart Mill, On Liberty, Project Gutenberg (1859)Karl Popper, Ich weiß, dass ich nichts weiß – und kaum das (1991)
  • In dieser Episode reflektiere ich die wesentlichen Themen von 2023 und Podcast-Episoden, die ich aufgenommen habe.

    Was gibt es ich Rückblick zu ergänzen?

    Was habe ich gelernt, und wo habe ich Fehler gemacht oder bleiben große Unsicherheiten in der Einschätzung?

    Ich bedanke mich für die vielen Zuschriften in diesem Jahr, und ich versuche auch in dieser Episode auf einige der von Ihnen genannten Themen einzugehen.

    Referenzen

    Economists had a dreadful 2023 (20.12.2023)Michael Malice Zitat: Jordan Peterson Podcast #407Thomas Sowell, Intellectuals and Society (2012)
  • I recently read the book "Climate Uncertainty and risk" written by Dr. Judith Curry, who is one of the leading US climate scientists but also an important heterodox thinker. I loved her book, not only because of her take on climate change, but also because she covers a lot of essential topics that are applicable in other complex problems as well.

    Judith Curry is president of Climate Forecast Applications Network (CFAN). Previously, she was professor and chair of the School of Earth and Atmospheric Sciences at the Georgia Institute of Technology and professor at the University of Colorado-Boulder in the department of aerospace engineering sciences program in the atmospheric and oceanic sciences and environmental studies program. Dr Curry published more than 200 reviewed scientific articles and gave 13 testimonials at US congressional hearings.

    In our conversation we discuss about the state of climate and climate science. What role does uncertainty play in assessing climate change and climate risk? Why urgency in measures might be a disaster.

    What role do carbon emissions play and can wind and solar energy help in mitigating climate change? What role does or should nuclear energy play? Do many prominent environmentalists hate nuclear even more than climate change?

    However, uncertainty cuts both ways, what does this mean in terms of climate, tipping points, systemic attractors, regime shifts?

    What role do natural effects play in climate change, like volcanoes (think of the year without summer)? How can we reduce vulnerability and why does deindustrialization and becoming poorer as a society not seem to be a clever way to handle complex risks? At the moment it rather seems that we are crippling our economy without reducing the footprint on the planet while at the same time reducing our resilience.

    “There are no solutions, only tradeoffs.”, Thomas Sowell

    What does resilience mean on a societal level and what can we do to achieve it? How is resilience connected to global existential risks?

    "At that point we are making the environment worse, and doing nothing for the climate and we are messing up our economy over this crazy net zero stuff."

    Is energy transition on the scale some countries attempt to do it, a risk far greater than risks related to climate change in the 21st century?

    What are wicked problems (showing complexity, uncertainty and ambiguity)? Why do predict than act approaches (which work for tame problems) not work on wicked problems?

    "Climate change is the mother of all wicked problems."

    What is the utility of models in general and climate specifically?

    “This is exactly what models are for—to serve as working hypotheses for further research.”, Ludwig von Bertalanffy

    How do climate models work? What is a scenario and how can scenarios be of use in assessing climate change?

    Why did we see such a heatwave this summer and autumn? What are likely reasons and what does the hot summer and August of this year tell us about anthropogenic climate change and the next decades?

    How to deal with extreme risks that are unlikely, like a Carrington Event? What are microgrids and how could the help making a society more resilient? What is the difference and utility of caution, precaution and the precautionary principle? Why is the precautionary principle problematic and how could a proactionary principle helt?

    What are principles of robust decision making? How do incrementalism and local decision making contribute? Is the seed — select — amplify (Meyer, Davis) idea and antifragility connected?

    Why do we see deep quality problems and politicisation in science? How is gate keeping of major institutions abused to stop critical discussion, including top journals like Nature and Science? Why did cancel culture blossom in academia and create a toxic intellectual environment?

    "The whole incentive system has become completely perverse."

    Careerism, ideology or money? Which is harming science the most?

    “Big Science may destroy great science, and the publication explosion may kill ideas. Ideas, which are only too rare, may become submerged in the flood.”, Karl Popper

    Should we separate science and activism or is a scientist ethically required to become an activist under certain conditions?

    "Once you became a political activist, it is game over for your credibility as a scientist."

    However, being a scientist and activist for a politically popular topic is currently highly rewarded.

    Can people handle complexity or should we simplify complex topics to easy to understand soundbites? And if so, who does the simplifying? Should we hide the scientific debate or even cancel it, to be able to send a simple message?

    "In the old days, disagreement was the spice of academic debate and life. Now we are out to cancel our opponents."

    References

    Judith Curry

    Website and Blog of Dr. Judith CurryCVJudith Curry, Climate, Uncertainty and Risk, Anthem Press (2023)Judith Curry, Klima: Unsicherheit und Risiko (2023)

    Other Episodes

    ModelingEpisode 79: Escape from Model Land, a Conversation with Dr. Erica ThompsonEpisode 68: Modelle und Realität, ein Gespräch mit Dr. Andreas WindischEpisode 53: Data Science und Machine Learning, Hype und Realität — Teil 1Existential ThreatsEpisode 76: Existentielle RisikenEpisode 74: Apocalype AlwaysEpisode 45: Mit »Reboot« oder Rebellion aus der Krise?Episode 42: Gesellschaftliche Verwundbarkeit, ein Blick hinter die Kulissen: Gespräch mit Herbert SauruggComplex problemsEpisode 72: Scheitern an komplexen Problemen? Wissenschaft, Sprache und Gesellschaft — Ein Gespräch mit Jan David ZimmermannEpisode 69: Complexity in SoftwareEpisode 37: Probleme und LösungenEpisode 80: Wissen, Expertise und Prognose, eine ReflexionEpisode 27: Wicked ProblemsEpisode 25: Entscheiden unter UnsicherheitEpisode 23: Frozen AccidentsScience, Quality and StagnationEpisode 67: Wissenschaft, Hype und Realität — ein Gespräch mit Stephan SchleimEpisode 65: Getting Nothing Done — Teil 2Episode 64: Getting Nothing Done — Teil 1Episode 28: Jochen Hörisch: Für eine (denk)anstössige Universität!Episode 18: Gespräch mit Andreas Windisch: Physik, Fortschritt oder StagnationEpisode 16: Innovation und Fortschritt oder Stagnation?

    Other Reference

    Guinevere Glasfurd, The Year Without Summer: 1816 - one event, six lives, a world changed, Two Roads (2020)Thomas Sowell, Intellectuals and Society, Basic Books (2012)Christopher Meyer, Stan Davis, It's Alive: The Coming Convergence of Information, Biology and Business, Texere Publishing (2003)Björn Lomborg, False Alarm: How Climate Change Panic Costs Us Trillions, Hurts the Poor, and Fails to Fix the Planet, Basic Books (2020)Roger Pielke Jr. on SubstackCarrington Event: Lloyds, Solar Storm Risk to the North American Electric Grid (2013)John Ioannidis, How the Pandemic Is Changing Scientific Norms (2021)Karl Popper, The Myth of the Framework: In Defence of Science and Rationality, Routledge (2014)
  • An die Episode #83 über Robert Merton und die wissenschaftlichen "Normen" anschließend, möchte ich in der heutigen Episode eine weitere grundlegende Überlegung anstellen. Mertons Normen scheinen mir wichtige Eckpfeiler zu sein, wenn man moderne Wissenschaft verstehen möchte, aber es gibt noch eine Reihe weiterer Aspekte, die man bedenken sollte.

    Einer davon ist die Idee des Naturalismus und auch dessen Beschränkungen. Dies ist insofern auch für die Einschätzung von Wissenschaft und wissenschaftlicher Erkenntnis für die großen Fragen der Zukunft von großer Bedeutung, weil es uns den Rahmen vorgibt, zu welchen Aspekten der Welt Wissenschaft im Allgemeinen und Naturwissenschaft im Besonderen Aussagen tätigen kann. Und zu welchen nicht.

    Die Frage des Naturalismus ist also: was ist überhaupt der Gegenstand unserer Betrachtung, und wo sind die Grenzen der Wissenschaft? Und damit verbunden sind Materialismus, Universalismus (wie bereits erwähnt), die Frage, was Wahrheit und Objektivität bedeuten, methodische Zugänge wie Reduktionismus (Experiment) und systemisches Denken und Emergenz, wie sich das Zusammenspiel zwischen Beobachtung und Theorie verhält, was ein Naturgesetz konstituiert und ob es nun gelingen kann, scharf zwischen Wissenschaft und Pseudowissenschaft zu unterscheiden. In dieser Episode werde ich mich auf die Themen: Reduktionismus, Materialismus und wie diese mit dem Naturalismus in Zusammenhang stehen, beschränken. Die anderen Themen vielleicht mal in einer zukünftigen Episode.

    »Es gehört zu den methodischen Grundsätzen der Wissenschaft, dass man gewisse fundamentale Fragen nicht stellt. Es ist charakteristisch für die Physik, so wie sie neuzeitlich betrieben wird, dass sie nicht wirklich fragt, was Materie ist, für die Biologie, dass sie nicht wirklich fragt, was Leben ist, für die Psychologie, dass sie nicht wirklich fragt, was Seele ist. Wollten wir nämlich diese schwersten Fragen gleichzeitig stellen, während wir Naturwissenschaft betreiben, so würden wir alle Zeit und alle Kraft verlieren, sie lösbaren Fragen zu lösen. Auf der anderen Seite darf man sich nicht täuschen, dass das methodische Verfahren der Wissenschaft [...] wenn es sich über seine eigene Fragwürdigkeit nicht mehr klar ist, etwas Mörderisches an sich hat.«, Carl Friedrich von Weizsäcker

    Referenzen

    Andere Episoden

    Episode 83: Robert Merton — Was ist Wissenschaft?Episode 80: Wissen, Expertise und Prognose, eine ReflexionEpisode 55: Strukturen der WeltEpisode 14: (Pseudo)wissenschaft? Welcher Aussage können wir trauen? Teil 2 Episode 13: (Pseudo)wissenschaft? Welcher Aussage können wir trauen? Teil 1Episode 11: Ethik, oder: Warum wir Wissenschaft nicht den Wissenschaftern überlassen sollten!Episode 9: Abstraktion: Platos Idee, Kommunismus und die ZukunftEpisode 6: Messen, was messbar ist?Episode 2: Was wissen wir?

    Fachliche Referenzen

    Julien Offray de La Mettrie, L'Homme Machine / Der Mensch eine Maschine, erste Ausgabe 1747Ulrich Kühne, Der Mensch als Industriepalast, Telepolis (2010)Fritz Kahn, Gallerie (Der Mensch als Industriepalast)Naturalism / PhilosophyNaturalism, Stanford Encyclopaedia of PhilosophyKlaus Kornwachs, Philosophie der Technik (C.H.Beck Wissen) (2013)
  • Der heutige Gesprächspartner ist wieder Jan David Zimmermann, was mich sehr freut! Jan ist Autor, Journalist und Wissenschaftsforscher, hat auch gerade ein neues und äußerst empfehlenswertes Buch herausgebracht — Lethe, Vom Vergessen des Totalitären. Außerdem ist er Redakteur beim Stichpunkt-Magazin.

    Das heutige Thema ist »(Epistemische) Krisen?«.

    Eine Anmerkung vorweg: wir haben die Episode vor dem Hamas-Terroranschlag aufgenommen. Wir beide sind von der darauf folgenden Welle des Antisemitismus in Europa, den USA und Australien zutiefst schockiert. Besonders erschreckend ist daran natürlich die Tatsache, dass zahlreiche antisemitische und unfassbar inhumane Äußerungen von Personen, die zuvor als Intellektuelle bezeichnet wurden, stammen — Personen, die an Unis unterrichten, in Medien arbeiten, oder in politischen Funktionen tätig sind. Hier findet sich leider wir ein Thema bestätigt, das ich in vergangenen Episoden angesprochen habe und auch in zukünftigen Episoden thematisieren werde: einen bedrückenden Verlust an intellektueller Redlichkeit und Qualität in wesentlichen gesellschaftlichen Institutionen wie etwa Universitäten.

    Aber selbst wenn wir später aufgenommen hätten, hätte ich dieses Thema ohnedies noch nicht im Podcast aufgreifen wollen. Auch wenn die Eckpunkte dieses Konfliktes sehr klar sind, viele Details und Folgen sind es nicht. Den Grund habe ich in früheren Episoden schon mal erklärt: dieser Podcast beschäftigt sich ganz bewusst nicht mit aktuellen Themen. Ich möchte hier nicht im medialen Rennen um die knalligste Spekulation beteiligen. In der heutigen Medienlandschaft dominiert das Rauschen und erst, wenn der Lärm leiser geworden ist, oft nach einigen Jahren, kann man anfangen, solche Themen vernünftig und in der Tiefe aufzuarbeiten.

    Daher habe ich auch erst in diesem Jahr begonnen, Covid als Thema langsam aufzugreifen und weitere Folgen sind in Vorbereitung.

    Aber zurück zu dieser Episode: Was ist eine (epistemische) Krise? Mit welchen Transformationen haben wir seit 2020 zu tun? Fallen wir von einer Krise in die nächste, oder doch nicht? Warum ist der Krisenbegriff selbst schwierig? Wer definiert eigentlich, was eine Krise ist und wie groß sich diese darstellt, denken wir an die stete Aufrüstung der Worte um noch Gehör zu finden: zur gleichen Zeit, wie die IPCC-Szenarien mit dem letzten Bericht optimistischer werden, wird die Sprache aufgerüstet, aus dem Klimawandel wird die Klimakrise und nun die Klimakatastrophe. Was folgt als Nächstes?

    Und die Krisen machen vor sich selbst nicht halt, denn diejenigen, die die Krisen ausrufen, unsere Institutionen und Universitäten, stecken selbst in einer schweren Krise. Wir erleben also vermeintlich multilple Krisen, und trotzdem fällt es der Gesellschaft schwer sich auf gemeinsame Momente zu einigen!

    Ein Kristallisationpunkt des Diskurses ist das Intenet? Aber welche Rolle spielt es: ist es totalitär und radikal, verdummend oder eher das Gegenteil? Wird gar die Komplexität der Welt heute besser gespiegelt als je zuvor, nur gefällt dies manchen nicht, die sich zuvor in der Deutungshoheit gesehen haben?

    Wie kann man der Gesellschaft komplexe Verhältnisse vermitteln?

    “If you’re not confuse you’re not paying attention”, Tom Peters

    Oder ist die Komplexität vielleicht nur ein Auswuchs, eine Täuschung der Verwirrungen des postmodernen Relativismus? Wer kann urteilen, oder besser: wem trauen wir Urteilskraft zu?

    Intellektuelle Bescheidenheit und Umgang mit Fehlern und Fehleinschätzungen scheinen immer wesentlicher zu werden und sind dennoch selten zu finden.

    »Das ist das Prinzip der dauernden Fehlerkorrektur: die Methode, dauernd nach Fehlern zu suchen und frühzeitig kleine und beginnende Fehler zu korrigieren. Diese Methode der rechtzeitigen Fehlerkorrektur zu verfolgen ist nicht nur eine Weisheitsregel, sondern geradezu eine moralische Pflicht: Es ist die Pflicht zur dauernden Selbstkritik, zum dauernden Lernen, zu dauernden kleinen Verbesserungen unserer Einstellung, unserer Urteile – auch der moralischen – und unserer Theorien. Hier wird das Können zum Sollen: wir können aus unseren Fehlern lernen; darum ist es unsere Pflicht, aus unseren Fehlern zu lernen.«, Karl Raimund Popper

    Kann Selbstkritik als moralische Pflicht gelten? Wie sieht es mit Heinz von Foersters Beobachtung zweiter Ordnung aus, und welche Rolle spielt das ständige Reframen eigentlich klarer Sachverhalte? Müssen wir die Krise überwinden oder führt sie ohnedies zu neuen Bedingungen, die besser sind als zuvor?

    Wie sieht es mit der sozialen Regulierung von Wissensformen aus, anders gesagt, was können wir von Seiten der wissensoziologischen Diskussion lernen? Gibt es so etwas wie illegitimes Wissen? Wie ist das Verhältnis zwischen Experten/Wissenschaftern und Politik?

    Wir gehen dann noch etwas weiter ins 20. Jahrhundert zurück und kommen (metaphorisch) zu Thomas Kuhns Paradigmenwechsel und stellen die Frage: Wenn der Schleier gefallen ist, möchte man wieder in den Nebel zurück?

    Was ist von Wissenschaftsskepsis zu halten? Ist dies ein Problem oder eine große Chance für unsere Gesellschaft?

    Aller vermeintlicher Inklusivitätsbemühungen zum Trotz scheint das Gegenteil zu passieren und wir werden immer ambiguitätsintolerater. Aus »anything goes« wird »nothing goes«. Komplexe Menschen, die wichtige Beiträge für unsere Gesellschaft leisten, können in anderen Aspekte völlig irren, man denke an Wissenschafter wie Isaac Newton oder Kary Mullis.

    Was können wir noch von Ernst von Glasersfeld, und Heinz von Foerster, den radikaler Konstruktivsten, lernen? Dann kommen wir auf die Frage, ob die Geisteswissenschaften sich an den Naturwissenschaften orientieren sollen? Wir vertagen diese Frage aber auf eine andere Episode.

    Wie kommt es eigentlich in der Wissenschaft zur Meinungsbildung, welche Rolle spielen Epistemic Communities, und was ist von Gruppenbildung in der Wissenschaft zu halten? Pierre Bourdieu spricht vom Homo Academicus, Ludwig Fleck von Denkkollektiven.

    In welchem Zusammenhang steht das zu den moderneren Formulierungen wie »Trust the Science« oder gar »Follow the Science«? Was ist die Triple Helix von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik?

    Wie stehen diese Überlegungen zu der Tatsache, dass Fortschritt nur mit heterodoxem und orthodoxem Denken gemeinsam zu bekommen ist? Was bedeutet dies für Diversität in Wissenschaft und Eliten in Theorie und Praxis? Welchen Schaden richtet dabei das heute überall zu erlebende Pseudo-Qualitätsmanagement an?

    »Nicht mehr die Wahrheit hat hier eine Macht, sondern was Macht über uns hat legitimieren wir theoretisch als das Wahre.«, Hans Blumenberg

    Wie kann es gelingen, Fehlerkultur guter (!) Wissenschaft in die Politik mitnehmen? Dabei aber gleichzeitig nicht den Fehler von über-Rationalisierung zu begehen, also Wissenschaft als rationales Schild für Politik und Management zu missbrauchen?

    »Viele Menschen lächeln über altmodische Wahrsager. Doch sobald die Hellseher mit Computern arbeiten, nehmen wir ihre Vorhersagen ernst und sind bereit, für sie zu zahlen.«, Gerd Gigerenzer

    Dabei stelle ich wieder einmal die fundamentale Frage: wollen Menschen belogen, oder würde Wahrheit politisch belohnt werden? Ich glaube zweiteres, aber was ist Jans Meinung?

    Zuletzt stellt sich die ernüchternde Frage, ob wir die Dimension eines großen Umbruches während des Umbruches überhaupt verstehen kann?

    Wer die erste Episode mit Jan noch nicht gehört hat, unbedingt Nachhören!

    Referenzen

    Andere Episoden

    Episode 80: Wissen, Expertise und Prognose, eine ReflexionEpisode 79: Escape from Model Land, a Conversation with Dr. Erica ThompsonEpisode 74: Apocalype AlwaysEpisode 72: Scheitern an komplexen Problemen? Wissenschaft, Sprache und Gesellschaft — Ein Gespräch mit Jan David ZimmermannEpisode 47: Große WorteEpisode 45: Mit »Reboot« oder Rebellion aus der Krise?Episode 39: Follow the Science?Episode 38: Eliten, ein Gespräch mit Prof. Michael HartmannEpisode 37: Probleme und LösungenEpisode 27: Wicked ProblemsEpisode 25: Entscheiden unter Unsicherheit

    Jan David Zimmermann

    Homepage von JanJan David Zimmermann, LETHE. Vom Vergessen des Totalitären, als vobiscum (2023)Stichpunkt MagazinFacebook: Jan D. ZimmermannInstagram: j._zimmermann

    Fachliche Referenzen

    Karl Popper: Das Elend des Historizismus. Mohr Siebeck, Tübingen 2003, S. XI [Vorwort zur deutschen Ausgabe]Reason TV, The Truth about Sweden's COVID Policy (2023)Uwe Pörsken: Plastikwörter. Die Sprache einer internationalen Diktatur. Klett-Cotta 2011 (ursprünglich erschienen: 1988)Mai'a K. Davis Cross, Rethinking epistemic communities twenty years later (2012)Ludwik Fleck, Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. Einführung in die Lehre vom Denkstil und Denkkollektiv, Suhrkamp (1980)Peter M. Haas, Introduction: Epistemic Communities and International Policy Coordination, International Organization, Vol. 46, No. 1, Knowledge, Power, and International PolicyCoordination (Winter, 1992), pp. 1-35Hyrum Lewis & Verlan Lewis, The Myth of Left and Right: How the Political Spectrum Misleads and Harms America, Oxford University Press (2022)Mitchell G . Ash, Wissenschaft und Politik als Ressourcen füreinander (2002)Hans Blumenberg: Paradigmen zu einer Metaphorologie. Suhrkamp, Frankfurt a.M .1960, S.22.Gerd Gigerenzer, Risiko – Wie man die richtigen Entscheidungen trifft, Pantheon (2020)
  • Diesmal gibt es eine kurze Episode, in der ich Ihnen am Ende zwei konkrete Fragen stellen möchte. Es gibt ein Online-Formular, wo ich Sie ersuche, Ihre Gedanken stichwortartig einzutragen, natürlich anonym. Wenn ich antworten soll, nennen Sie mir bitte optional eine E-Mail Adresse.

    Es um zwei eng verwandte Fragen:

    Was ist Wissenschaft — was sind wesentliche Merkmale und Kriterien wissenschaftlicher Aussagen und Praktiken undFolgende der Gedanken, die ich in Episode 80 entwickelt habe: haben Sie für sich selbst Faustregeln oder Heuristiken entwickelt, die Ihnen helfen, zu entscheiden, ob Sie einem Experten vertrauen? Sind Aussagen glaubwürdig, für Sie von Relevanz?

    Als Einstieg in die erste Frage, stelle ich die Normen oder Prinzipien vor, die Robert Merton im Jahr 1942 vorgeschlagen hat:

    Gemeinschaftlichkeit (Communism/Communality)Universalismus (Universalism)Uneigennützigkeit (Disinterestedness)Organisierte Skepsis (Organized skepticism).

    Stimmen Sie diesen Prinzipien zu? Was fehlt? In welche Richtung sollte man weiterdenken? Bitte senden Sie mir Ihre Gedanken in diesem Formular!

    Referenzen

    Andere Episoden

    Episode 80: Wissen, Expertise und Prognose, eine ReflexionEpisode 67: Wissenschaft, Hype und Realität — ein Gespräch mit Stephan SchleimEpisode 47: Große WorteEpisode 39: Follow the Science?Episode 13: (Pseudo)wissenschaft? Welcher Aussage können wir trauen? Teil 1Episode 14: (Pseudo)wissenschaft? Welcher Aussage können wir trauen? Teil 2Episode 2: Was wissen wir?

    Fachliche Referenzen

    Science and Pseudo-Science, Stanford Encyclopedia of Philosophy (2021)Robert K. Merton, Science and Technology in a Democratic Order, Journal of Legal and Political Sociology, 1: 115–126, 1942Lactose Intolerance (Britannica)Andrew Curry, Die Milch-Revolution, Spektrum der Wissenschaft (2013)Johan Norberg, Open: The Story of Human Progress, Atlantic Books (2021)Anna I. Krylov, The Peril of Politicizing Science, J. Phys. Chem. Lett. 2021, 12, 5371-5376Konrad Lorenz, Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit, Piper (1996)
  • Mein heutiger Gast ist Ulrich Ahle, und diese Episode hat einen für mich sehr spannenden Hintergrund: Ich war zu Beginn des Jahres auf der LEAP-Konferenz in Riad, Saudi-Arabien, und das war ein in vielerlei Hinsicht äußerst eindrucksvolles Erlebnis. Eine der Reisen, wo fast alle meine Vorurteile auf den Prüfstand gestellt wurden.

    Auf dieser Konferenz hat Ulrich einen Vortrag zu Smart Cities gehalten, und dieser Vortrag war einer der interessantesten, die ich auf dieser Konferenz gehört habe. Daher freut es mich besonders, dass sich Ulrich für ein Podcast-Gespräch zum Thema Smart Cities, oder besser: Smart Communities zur Verfügung gestellt hat.

    Ulrich hat eine lange und erfolgreiche Karriere in der Fertigungsindustrie und Industrie 4.0 hinter sich und gründet 2016 die FIWARE-Foundation, deren deren CEO er wird. In dieser Rolle hat Ulrich eine entscheidende Rolle beim Ausbau der FIWARE Foundation gespielt, die heute auf allen Kontinenten vertreten ist und mehr als 600 Mitglieder zählt. FIWare ist eine der führenden Lösungen für SmartCity/Community-Projekte, und noch dazu eine Open-Source. Warum das wichtig ist, werden wir im Gespräch diskutieren. Ulrich wird nun CEO von Gaia X, einer europäischen Initiative, deren Ziel es ist, , ein Ökosystem zu schaffen, in dem Daten gemeinsam genutzt und in einer vertrauenswürdigen Umgebung zur Verfügung gestellt werden.

    Ich wünsche Ulrich bei dieser neuen und sehr wichtigen Herausforderung viel Erfolg. Wenn FIWare als Maßstab gelten darf, können wir von Gaia X in den nächsten Jahren viel erwarten!

    In dieser Episode beginnen wir mit der Frage, was eine Stadt oder Gemeinde eigentlich »smart« macht? Ist der Begriff überhaupt sinnvoll? Der Begriff Smart Communities wird als Oberbegriff für Projekte in Städten aber auch ländliche Regionen verwendet. Dies ist im Gespräch auch insofern relevant, als Ulrich auch Ortsvorsteher der Gemeinde Etteln ist und in dieser Gemeinde ebenfalls zahlreiche Smart Community Projekte umgesetzt wurden und werden.

    Wer sind primäre Gruppen, die von Smart Communities profitieren? Ist Industrie und Tourismus Teil der Smart City? Was ist mit Industrie 4.0?

    Was ist der Unterschied zwischen Digitalisierung in der Verwaltung und Smart City?

    Die führenden »digitalen Gesellschaften« in Europa sind Estland, Finnland, Malta, Niederlande, Spanien? Was passiert in diesen Nationen und was können wir davon lernen?

    Beispiele für Smart City Anwendungen über die wir in der Episode sprechen sind:

    ParkraumbewirtschaftungBeleuchtungMüll-Management, Abfallbewirtschaftungdynamische City-Maut intelligente WasserwirtschaftHochwasserfrühwarnsystem autonom fliegende Drohnen zur Unterstützung der Feuerwehr im DorfPredictive Maintenance vs. vorbeugende WartungStabilisierung des Energienetzes

    Wie sieht es mit systemischen Effekten (auch unerwünschten Nebeneffekten) aus, z.B. beim Smart Parking? Führt dies nicht letztlich zu mehr Verkehr?

    Wie Skalieren die Smart Community Konzepte auf mehreren Ebenen — vom Dorf bis zur Großstadt wie Berlin —, aber auch innerhalb einer Stadt, vom Kiez/Viertel bis zur gesamten Stadt und dies sowohl technisch wie funktional und politisch?

    Welche Formen der Datenvisualisierung und Dashboards gibt es für Verwaltung und politische Entscheidungsträger?

    In den letzten Jahren wird häufig von digitalen Zwillingen gesprochen. Was ist das und wird das im Smast City Umfeld genutzt? Wie ist das Wechselspiel zwischen digitaler und realer Welt abgebildet?

    Wie geht man einen solchen digitalen Transformationsprozess am besten an? Top Down? Bottom Up? Middle In? Unterschiedliche Zielkonflikte können drohen, vom Überdesign, das die Menschen am Weg verliert, bis zum Gegenteil, digitalen Silos und Insellösungen, die nicht miteinander kommunizieren, weil zu wenig strukturiert wurde.

    Wie gehen wir mit den Daten um? Daten haben in einer digitalen Welt ökonomischen und politischen Wert, gleichzeitig bedroht Digitalisierung die Privatsphäre, lässt sich das unter einen Hut bringen oder bekommen wir Smart Big Brother statt Smart Community? Was ist das Once Only Principle, das in Estland zur Anwendung kommt?

    Es gibt nicht nur erfolgreiche Projekte, die Stadt Toronto hat ein großes Smart City Projekt abgebrochen, was kann man daraus lernen?

    Welche Abhängigkeiten gibt es bei Smart Community Projekten — ökonomisch, politisch, technisch — und führen diese zu einer höheren Fragilität der Gesellschaft oder gar zu höherer Resilienz?

    Wie sieht es mit Smart Communities rund um die Welt aus, von Saudi Arabien bis Indien? Können diese Projekte Menschen helfen (etwa in Afrika) aus der Armut zu kommen?

    Referenzen

    Andere Episoden

    Episode 77: Freie Privatstädte, ein Gespräch mit Dr. Titus GebelEpisode 70: Future of Farming, a conversation with Padraic FloodEpisode 61: Digitaler Humanismus, ein Gespräch mit Erich PremEpisode 58: Verwaltung und staatliche Strukturen — ein Gespräch mit Veronika LévesqueData Science und Machine Learning, Hype und Realität: Episode 53 und Episode 54Episode 40: Software Nachhaltigkeit, ein Gespräch mit Philipp ReisingerEpisode 35: Innovation oder: Alle Existenz ist Wartung?Episode 31: Software in der modernen Gesellschaft – Gespräch mit Tom KonradOffene Systeme: Gespräch mit Lukas Lang und Christoph Derndorfer: Episode 19 und Episode 20

    Ulrich Ahle

    Ulrich Ahle auf LinkedInFiWare FoundationGaia-XGemeinde Etteln

    Fachliche Referenzen

    LEAP ConferenceToronto wants to kill the smart city forever, MIT Technology Review (2022)
  • Der Gast der heutigen Episode ist Dr. Lars Schernikau. Er ist Energieökonom und Rohstoffhändler und befasst sich seit vielen Jahren mit Energiethemen. Er veröffentlichte in diesem Jahr ein wichtiges Buch mit dem Titel: Unbequeme Wahrheiten: über Strom und die Energie der Zukunft veröffentlicht.

    Energie und Energiewende wurde in früheren Episoden schon thematisiert. In dieser Episode fokussieren wir uns neben Energiethemen auch auf die Frage der Abhängigkeit von Energie und Ressourcen, die unsere Gesellschaft am laufen halten.

    Was sind die vier Säulen der modernen Gesellschaft nach Vaclav Smil und wie stehen diese in Zusammenhang mit Energie? Werden wir in den nächsten Jahrzehnt weniger oder gar drastisch mehr Energie benötigen? Welchen Einfluss hat die Bevölkerungsentwicklung in unterschiedlichen Regionen und das Betreben der Ärmsten Menschen aus der Armut zu gelangen?

    "Armut und Energie stehen in einem sehr engen Zusammenhang."

    Das sehen wir am Beispiel des Haber-Bosch-Verfahrens, das moderne Landwirtschaft und auch die Grüne Revolution in den 1960er Jahren ermöglicht und Milliarden Menschen das Leben gerettet hat.

    Wie viel Material entnehmen die Menschen jährlich der Erde und wofür? Wie hoch ist der Rohstoffeinsatz pro erzeugter Energieeinheit?

    Wo steht sich die deutsche Energiewende aktuell, i.B. auch hinsichtlich der selbst-gesteckten Ziele? Welcher Energie- und Rohstoffeinsatz ist mit »erneuerbaren« Energien verbunden? Was ist der EROEI (Energy Returned on Energy Invested) und warum ist diese Maßzahl fundamental wichtig in der Beurteilung von Energieformen.

    Die Geschichte der Menschheit kann als Energiegeschichte geschrieben werden. Der Wechsel zu stetig Energie-dichteren Energieträgern ermöglicht erst unseren Fortschritt:

    Römer: 2:1 (menschliche und tierische Arbeitskraft); Holz und Essens-Nachschub (EROEI) begrenzt Stadtgröße auf ca. 1 Mio Menschen. Schernikau: »Wir haben 5 von 7 Tagen damit verbracht uns am Leben zu erhalten.«Kohle 15-30:1Gas ähnlich wie KohleKernkraft 70-90:1Wind/Solar im einstelligen BereichBiomasse im geringen einstelligen Bereich

    Energiedichten unter 10:1 werden sehr kritisch für die moderne Gesellschaft!

    Was ineffizient ist, ist auch eine teure (und meist nicht-ökologische) Form der Energieproduktion. Daher sind Wind und Solar teurer als alle anderen Energieformen (Kohle, Gas, Öl, Kernkraft, Wasserkraft) und sie werden umso teurer je mehr man davon zum Einsatz bringt. Die Energiekrise hat daher in Deutschland auch schon vor dem Ukraine-Krieg angefangen und wurde durch den Krieg nur verstärkt.

    Commodities werden weltweit gehandelt. Wenn Deutschland aufgrund der gescheiterten Energiewende Gas (und Kohle) am Weltmarkt zu immer höheren Preisen kauft, können sich etwa Bangladesch und Pakistan diese Preise nicht mehr leisten. Was sind die Konsequenzen für diese Nationen?

    »Wir nehmen den Entwicklungländern Jahre in ihrer Entwicklung weg wenn wir sie zwingen, auf ineffiziente Wind- und Solaranlagen für die Stromerzeugung umzusteigen. Hunderte Millionen Menschen bleiben dadurch länger arm.«

    Dazu kommt eine geopolitische Perspektive: wo kommen die Ressourcen her und wo werden sie verarbeitet? Der Flächenbedarf, der mit Energieproduktion verbunden ist, gehört zu einer der wesentlichsten ökologischen Größen und ist natürlich durch die Energiedichte bestimmt.

    Wie kann es sein, dass in den meisten Medien und von einigen einflussreichen Experten immer noch behauptet wird, Wind und Solar wären die billigsten Formen der Stromproduktion? Was ist der Unterschied zwischen Grenzkosten und Gesamtkosten einer Energieform? Warum ist das häufig zitierte LCOE-Maß (Levelised Cost of Electricity) irreführend? Relevant sind letztlich nur die Gesamtkosten. Was macht den Unterschied aus?

    Gibt es eine Economy of Scale bei Wind und Solar? Gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen Produktion der Solarzellen/Windräder und der Produktion von Strom?

    Schernikau: »Jede kWh die aus Solar und Wind kommt, hat einen geringeren Wert als die vorherige kWh.«

    Aber Wasserstoff als Speicher wird dieses Problem lösen (wie schon vor ca. 25 Jahren versprochen), oder? Es stellt sich heraus, dass ca. 65-80 % der Energie über den Umweg des Wasserstoffes verloren gehen. Und das nach der Nutzung von bereits wenig effizienter Produktion. Hat das eine Zukunft?

    Schernikau: »Wasserstoff zur Strom-Speicherung ist ein energieökonomisches Disaster.«

    Warum macht es einen wesentlichen Unterschied ob man Energiedichte pro Volumen oder pro Gewicht rechnet?

    Außerdem: Strom ist nicht gleich Energie, denn Strom macht nur einen Teil der Gesamtenergie aus, die wir als Menschheit für unser Leben benötigen. Was bedeutet dies für eine »Energiewende«?

    Vom Prototypen zur wirkungsvollen Technologie vergehen in der Regel Jahrzehnte, sofern es sich überhaupt skalieren lässt. Was bedeutet diese Erkenntnis für die »Elektrifizierung« der Industrie? Fast 90 % der Gesamtenergie kommen weltweit aus Kohle, Gas, Öl und Kernkraft.

    Schernikau: »Der Kohleverbrauch steigt trotz Energiewende weiter, weltweit.«

    »fast 60% des Energiewachstums kamen im starken Wachstumsjahr 2021 (laut IEA) aus Kohle.«

    Welche Rolle spielt Kernkraft in dieser Gemengelage? Es scheint einen politischen Richtungswechsel zu geben, etwa in Ontario Kanada, Polen, Frankreich, Schweden, Finnland, Japan, Südkorea, China und zahlreichen anderen Nationen.

    Schernikau: »Energiepreiserhöhung kostet Menschenleben«

    Spielt es überhaupt eine Rolle, was wir in Deutschland, Frankreich, Großbritannien machen, wenn in den nächsten Jahrzehnten Nationen mit Milliarden Menschen dramatisch mehr Energie benötigen werden als heute (China, Indien, Afrika, ...) und hunderte Millionen Menschen noch gar keinen Strom haben?

    Während aber Deutschland Südafrika erklärt, wie man aus Kohle aussteigt, gibt es in Südafrika Blackouts und Deutschland importiert Kohle aus Südafrika:

    Schernikau: »Deutschland könnte vielleicht von Südafrika lernen, wie man mit Stromabschaltungen umgeht.«

    Wie können uns eine Menge wünschen, aber die Physik lässt sich durch Wünsche und Träume einfach nicht aus den Angeln heben.

    »Ich bin optimistisch dahingehend, dass wir in den nächsten Jahren unsere Energiepolitik ändern werden und wieder auf den richtigen Weg bringen.«

    Referenzen

    Andere Episoden

    Episode 73: Ökorealismus, ein Gespräch mit Björn PetersEpisode 70: Future of Farming, a conversation with Padraic FloodEpisode 62: Wirtschaft und Umwelt, ein Gespräch mit Prof. Hans-Werner SinnEpisode 59: Wissenschaft und Umwelt — Teil 1Episode 60: Wissenschaft und Umwelt — Teil 2Episode 46: Activism, a Conversation with Zion LightsEpisode 42: Gesellschaftliche Verwundbarkeit, ein Blick hinter die Kulissen: Gespräch mit Herbert SauruggEpisode 36: Energiewende und Kernkraft, ein Gespräch mit Anna Veronika Wendland

    Lars Schernikau

    Lars Schernikau auf X/Twitter, YouTube, LinkedIn, InstagramLars Schernikau auf Unpopular TruthLars Schernikau, The Unpopular Truth about Electricity and the Future of Energy: WebsiteLars Schernikau, William Hayden Smith, Unbequeme Wahrheiten: über Strom und die Energie der Zukunft (2022)Tom Nelson, Lars Schernikau: “The Unpopular Truth..about Electricity & Future of Energy”Auswahl wissenschaftlicher Artikel

    Fachliche Referenzen

    Vaclav Smil, Wie die Welt wirklich funktioniert: Die fossilen Grundlagen unserer Zivilisation und die Zukunft der Menschheit, C.H.Beck (2023)Vaclav Smil, Innovationen und Erfindungen: Eine kurze Geschichte des Hypes und des Scheiterns, FinanzBuch Verlag (2023)Tim Morgan, Life after Growth, Harriman House (2013)Robert Bryce, The Power Of Power DensityExpensive energy may have killed more Europeans than covid-19 last winter, Economist May 10th 2023
  • Ich denke seit ein paar Wochen über die Begriffe »Expertise« und »Wissen« nach. Wie stehen diese zueinander und in Bezug zu Prognostik. Dazu irritiert die übliche oder alltägliche Verwendung der Begriff »Expertise« beziehungsweise »Experte«. Regelmäßig werden in Medien Experten präsentiert oder von Politikern auf Experten verwiesen, die die Welt erklären und Prognosen komplexer Systeme mit großem Selbstvertrauen darlegen. Wenn dann aber regelmäßig von Experten oder Institutionen schwere Fehler in der Einschätzung gemacht werden, dann hat das negative Effekte für alle Menschen, für unser Vertrauen in Politik und in wesentliche Institutionen.

    Was ist die Aussage eines Experten wert?

    Was ist von Prognosen zu halten?

    Zum Einstieg werden einige Beispiele schwerwiegender Fehleinschätzungen von Experten über die Jahrzehnte diskutiert, und was noch schlimmer ist, Fehleinschätzungen aus denen offenbar systemisch nichts gelernt wurde:

    Es ist unmöglich die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren (Paul Ehrlich, 1960er Jahre)Bevölkerungsexplosion oder -implosion (1960er Jahre bis heute)?Peak Oil (1980er bis 2000er Jahre)Eiszeit oder kochender Planet?Versagen der deutschen EnergiewendePrognosen über den Ukraine KriegVerschiedenste Wirtschaftsprognosen

    »Voraussagen der Euro-Dollar-Wechselkurse sind wertlos. Jedes Jahr im Dezember sagen internationale Banken die Wechselkurse für das Ende des folgenden Jahres vorher. Meistens liegt der tatsächliche Kurs außerhalb des gesamten Prognosebereichs.«, Gerd Gigerenzer

    Sind das alles nur Anekdoten, oder wurde die Qualität von Expertenprognosen systematisch untersucht?

    »Der Durchschnittsexperte hatte bei vielen der von mir gestellten politischen und wirtschaftlichen Fragen kaum besser abgeschnitten als hätte er geraten […] «

    »je berühmter ein Experte war umso schlechter war die Leistung«, Phil Tetlock

    Mit anderen Worten: je öfter sie den »Experten« im Fernsehen sehen, desto schlechter sind wahrscheinlich seine Prognosen.

    Was ist nun tatsächlich Expertise? Was ist Wissen? Versuchen wir eine Definition:

    »Expertise ist die Fähigkeit, Veränderungen in der Welt konsistent vorauszusagen oder herbeizuführen.«

    Schon in der Antike gab es unterschiedliche Begriffe für verschiedene Formen des Wissens:

    episteme (gr) oder scientia (lat) für Wissen um seines selbst Willen sowietechne (gr) oder ars (lat) für angewandtes Wissen; vielleicht vergleichbar damit, was ich Expertise nenne.

    Gibt es Kompetenz, Expertise ohne Tun? Welche Beispiele für Bereiche gibt es, in denen man von Expertise sprechen kann, welche, in denen keine Expertise in diesem Sinne möglich ist? Gibt es Expertise an der Universität?

    Dazu kommt die Frage des Vertrauens, wie in der letzten Episode betont wurde:

    »Vertrauen ist ein sozialer Prozess, und Expertise ist sozial bestimmt. [...] Du musst der Wissenschaft folgen heißt, du musst mit meinen Werturteilen übereinstimmen.[...] Eine Entscheidung kann niemals wissenschaftlich fundiert sein. […] «

    »Letztendlich ist die Definition eines Experten die eines Menschen, dessen Urteile man bereit ist, als das eigenen zu akzeptieren«

    Was fangen wir nun mit diesem Befund an? Was tun? Eine Zusammenfassung in vier Punkten:

    (1) Sind wir im Zeitalter der Post-Expertise angelangt?

    »In den meisten Teilen der Gesellschaft wird man ermutigt, sich auf Experten zu verlassen — wir alle tun das mehr als wir sollten«, Noam Chomsky

    (2) Das Tun nicht vergessen — Expertise lässt sich nicht virtualisieren

    »Ich glaube nicht, dass man ein guter Erfinder sein kann, wenn man nicht weiß, wie das Zeug gebaut wird, dass man designed«, Walter Isaacson über Elon Musk

    (3) Mit Unsicherheit leben lernen — die Herausforderung unserer Zeit

    »Die Menschen neigen dazu, Unsicherheit verstörend zu empfinden.«, Phil Tetlock

    (4) Evolution, oder: meine Arbeits-These zum Fortschritt

    »Seed — Select — Amplify«

    Diese Episode ist eine Reflexion und ich freue mich wieder besonders über kritisches Feedback!

    »Dumme Menschen können Probleme verursachen, aber es braucht häufig geniale Menschen um eine wirkliche Katastrophe auszulösen«, Thomas Sowell

    Referenzen

    Andere Episoden

    Episode 13: (Pseudo)wissenschaft? Welcher Aussage können wir trauen? Teil 1Episode 14: (Pseudo)wissenschaft? Welcher Aussage können wir trauen? Teil 2Episode 36: Energiewende und Kernkraft, ein Gespräch mit Anna Veronika WendlandEpisode 42: Gesellschaftliche Verwundbarkeit, ein Blick hinter die Kulissen: Gespräch mit Herbert SauruggEpisode 59: Wissenschaft und Umwelt — Teil 1Episode 60: Wissenschaft und Umwelt — Teil 2Episode 62: Wirtschaft und Umwelt, ein Gespräch mit Prof. Hans-Werner SinnEpisode 73: Ökorealismus, ein Gespräch mit Björn PetersEpisode 74: Apocalype AlwaysEpisode 76: Existentielle Risiken

    Fachliche Referenzen

    Leonard Nimoy, Ice Age 1979Vorsicht, wer die Konjunktur prophezeit, Der Standard (8.2.2020)Spectator Inflation Prediction (17.8.2022)Stuart Ritchie, Michael Story, How the experts messed up on Covid, UnHerd (2020)Gerd Gigerenzer, Risiko – Wie man die richtigen Entscheidungen trifft, Pantheon (2020)Karl Popper, The Myth of the FrameworkDaniel Yankelovich, Wicked Problems, Workable Solutions, Rowman & Littlefield (2014)Neil Gershenfield, Lex Fridman #380Walter Isaacson, Lex Fridman #395Nassim Taleb, What do I mean by Skin in the Game? My Own Version, Medium (2018)Scott Adams, Prediction and ForecastThomas Sowell on “Social Justice Fallacies”, Uncommon Knowledge (2023)
  • Todays guest is Dr. Erica Thompson who wrote the excellent book "Escape from Model Land", which I strongly recommend for reading.

    Dr. Thompson is Associate Professor of Modelling for Decision Making at UCL’s Department of Science, Technology, Engineering and Public Policy. She is also a Fellow of the London Mathematical Laboratory, where she leads the research programme on Inference from Models, and a Visiting Senior Fellow at the LSE Data Science Institute.

    She is working on the appropriate application of mathematical modelling in supporting real-world decisions, including ethical and methodological questions. For instance, what is the best use of models in climate change, public health and economics.

    Making and using models in the real world is — as it turns out — quite a tricky business and in our conversation we go deep into the question: what constitutes model land and how can we escape model land to achieve good results for our society from what we learned in model land.

    I covered similar topics in other podcast episodes, because this question can be tackled from a number of different perspectives.

    The first question I ask Dr. Thompson is the obvious one: What is model land?

    “Nobody actually cares at all about what happens in your model. […] unless you make a claim that what happens within that model land has some relationship to what happens in the real world. So, how to transfer your judgement about the model to the judgement about the real world, is the key question?”

    What does Steven Wolfram mean with irreducibility of nature? Why do we have to treat different types of models differently?

    What is the difference between interpolation and extrapolation, and why is this crucially important? Many models of complex systems incorporate significant amounts of expert judgement, especially when models are extrapolating. How should we deal with such models?

    “All of these decisions about model construction imply value judgements about what we think to be important.”

    Value judgements per se are not the problem — but are they shared by the people affected by the model? How did you get to those judegements? Are the transparent enough? Do the decision makers know and agree with these judgements?

    Under what conditions can we assess the reliability of a model? In which category do models that are discussed in public fall, for instance climate models? What are the butterfly and hawkmoth effect? What is the difference between data driven vs. “expert driven” models and what role does data quality play in practice?

    Most models also are partial models. What is incorporated in a model? What is left out? What conclusions are we allowed to draw from complex models? Do they highly successful data driven models distort our expections in the more assumption driven ones?

    “The model is then very much part of the story. It is not just a prediction engine.”

    There are models that influence the world and the world feeds back opposed to models that “just” describe the world, and performative models that actually create the reality they describe and counter-performative models. Why is it important to distinguish among these different types?

    “Those [counter-performative models] were not made with the aim to be accurate models and correctly predicting the future. They were made with the aim of showing what could happen if we didn't action which would then avoid these worst case scenarios.”

    What is the difference between a (conditional or unconditional) prediction and a scenario?

    Models are tools and cannot replace judgement. But did we use these tools accordingly? Or did models in the recent past (e.g. Covid) inflict more harm than good on our society?

    “This is exactly what models are for—to serve as working hypotheses for further research.”, Ludwig von Bertalanffy

    and

    “Build a society that is resistant to model errors”, Nassim Taleb

    Is this true?

    Models as narrative generating devices and communication tools and collective thinking — do we want that? Under what conditions — like flatten the curve? And, how to avoid group think and be captured by models?

    “Plans are worthless but planning is everything”, Dwight D. Eisenhower“Kein Plan überlebt die erste Feindberührung”, Helmuth Graf von Moltke

    So, there is a significant amount of expert judgement in building models, but do people know that and which expert do we trust?

    “Trust is a social process and expertise is socially determined. […]You must follow the science is saying you must agree with my value judgements.[…]

    A decision can never be science based.”

    Thus, science is never value free.

    Finally we talk about regulation in complex systems and how those relate to models, the long and short term perspectives and what skin in the game means. Is Niall Ferguson right when he says:

    “Surely, once we have written a regulation for every possible misdeed, then good behaviour will ensue. This is just an amazing illustration of our ability as human beeings to keep doing the wrong thing in the face of all experience. […] the big players are actually protected by complex regulation. […]

    Regulation is the disease of which it pretends to be the cure.”

    Then, how should we regulate complex systems? Should every politician be a scientist in the Platonic sense?

    »Ultimately the definition of an expert is somebody who's judegements you are willing to accept as your own.«

    References

    Other Episodes

    Episode 68: Modelle und Realität, ein Gespräch mit Dr. Andreas WindischEpisode 67: Wissenschaft, Hype und Realität — ein Gespräch mit Stephan SchleimEpisode 53: Data Science und Machine Learning, Hype und Realität — Teil 1Episode 54: Data Science und Machine Learning, Hype und Realität — Teil 2Episode 39: Follow the Science?Episode 37: Probleme und LösungenEpisode 2: Was wissen wir?Dr. Erica ThompsonPersonal Website of Dr. ThompsonUCL’s Department of Science, Technology, Engineering and Public PolicyLondon Mathematical LaboratoryLSE Data Science Institute

    Other References

    Erica Thompson, Escape from Model Land, Basic Books (2022)Lex Fridman #376 in conversation with Steven Wolfram (2023)Ludwig von Bertalanffy, General Systems Theory (1969)Cathy O’Neil, Weapons of Math Destruction: How Big Data Increases Inequality and Threatens Democracy, Penguin (2017)Niall Ferguson on Regulation in conversation with John Anderson (2023)
  • In den letzten Jahren gab es bemerkenswerte Entwicklungen im Bereich des Machine Learning und der sogenannten künstlichen Intelligenz. Wie bei fast allen neuen Technologien, sind sehr nützliche aber auch sehr gefährliche Anwendungen zu erwarten. In dieser Episode spreche ich über drei Aspekte, die mit neuen KI-Tools auf uns zu kommen, oder bereits verfügbar sind:

    Beantwortung von Fragen / RechercheGenerierung von Text mit Large Language Models (gegebenenfalls ergänzt mit Sprachsynthese)Generierung oder Manipulation von Bildern und Videos

    Ich habe mich mit Aspekten dieses Themas schon vor mehr als zwei Jahren in Episode 43: Deep Fakes beschäftigt. Diese Episode ist heute noch aktueller als damals.

    Die Frage ist: welchen Inhalten im Internet können wir in Zukunft trauen? Und in dieser Episode liegt der Fokus auf der Frage: was bedeutet diese Entwicklung für Personen und Organisationen, die Inhalte erzeugen und anbieten, im Besonderen für Podcasts sowie Konsumenten dieser Produkte.

    Welche Verantwortung haben wir als Produzenten?

    Wie können wir Konsumenten vertrauen in unsere Inhalte geben, in einer Welt, die immer mehr von generierten und manipulativen Artefakten geflutet sein wird? Wie kann also mündigen Konsumenten geholfen werden, die Spreu vom Weizen zu trennen und dies ohne Schichten von Zensur einzuführen.

    »Nicht zu viel Macht — das ist die Grundidee der Demokratie. Die Macht muss verteilt sein, sodass nicht zu viel Macht in einer Hand ist.«, Karl Popper

    Wie verändert sich möglicherweise das Verhältnis zu den Konsumenten?

    In dieser Episode diskutiere ich zwei wesentliche Aspekte:

    Bin ich die Person (oder Organisation), die ich behaupte zu sein, beziehungsweise wer sind die Personen, die an einer Episode teilnehmen?Woher stammen die Materialien (z.B. Texte, Bilder, Videos), die ich auf meinem Kanal präsentiere

    Wie können wir auch als »kleine« und unabhängige Produzenten in Zukunft das Vertrauen in unser Produkt gewährleisten, ohne uns von wenigen Medien-Monopolisten abhängig zu machen und warum spielen gerade Podcasts eine so wesentliche Rolle in der heutigen, und hoffentlich auch zukünftigen Medienlandschaft?

    Zuletzt mache ich meinen Produktionsprozess transparent:

    Vorbereiten von Episoden (Recherche, Inhalte zusammenstelle)AufnahmeNachbearbeitung (Post-Production)Wie werden verschiedene Artefakte erstellt (Audio-File, Shownotes, Transkripte)Werbung und Interaktion mit Hörern

    An welchen Stellen wird mit welcher Art von Tools gearbeitet?

    Wie können wir als unabhängige Podcaster in der Zukunft gewährleisten, das Vertrauen der Hörer nicht zu verlieren und gleichzeitig nicht unter die Räder einzelner Medien-Monopolisten zu geraten?

    Referenzen

    Andere Episoden

    Episode 61: Digitaler Humanismus, ein Gespräch mit Erich PremEpisode 43: Deep Fakes: Wer bist du, und – was passiert da eigentlich?Episode 2: Was wissen wir?

    Fachliche Referenzen

    Karl Popper - "Lasst Theorien sterben, nicht Menschen!" (1990)Transparenz-Erklärung für diesen Podcast
  • In der heutigen Episode freue ich mich Dr. Titus Gebel begrüßen zu dürfen. Wir sprechen über sein Konzept der »Freien Privatstädte«.

    Titus Gebel ist Unternehmer und promovierter Jurist. Er war Mitgründer der Deutsche Rohstoff Gruppe sowie des Startups Dual Fluid, deren CFO Björn Peters, in Episode 73 zu Gast war. Dr. Gebel spielt auch eine wesentliche Rolle in der Etablierung einer ambitionierten Sonderentwicklungszone mit dem Namen Prospera in Honduras und berät andere Sonderwirtschaftszonen weltweit.

    Aber das Thema des Gesprächs ist breiter: wir beginnen mit der Frage, was modernes Staatswesen ausmacht, was Freiheit bedeutet, was die Rolle von Bürger und Staat sind, wo die Ursprünge und philosophischen Ideen liegen und was bis zum heutigen Zeitpunkt in verschiedenen Nationen daraus geworden ist.

    Wir beginnen mit einem Blick in die Geschichte, was ist die Rolle des Staates nach Thomas Hobbes und John Stuart Mill? Was ist der Begriff der Freiheit?

    »Struggle between Liberty and Authority«»By liberty, was meant protection against the tyranny of the political rulers.«, John Stuart Mill

    Wie hat sich die Rolle des Staates verändert?

    »Der moderne Staat hat sich etabliert, um seinen Bürgern vor allem zwei Grundpfeiler des Lebens zu garantieren: Freiheit und Sicherheit.«, K. P. Liessmann

    Wie kommt es zu einem Mehr an Freiheit? Aus philosophischen Überlegungen und Ideen, oder aus pragmatischeren Aspekten? Führt der Weg von der göttlichen Bestimmung zur Freiheit? Wie wird der Wille des Volkes überhaupt bestimmt und was bedeutet dies für Minderheiten?

    Wir beide stimmen darin überein, dass wir eine beginnende, schwere Krise in den westlichen Demokratien, beziehungsweise Verwaltung erkennen. Die Frage ist: wie ist diese zu erklären und wie könnten Wege heraus aussehen?

    »Heute haben wir es mit einer Überdehnung des modernen Staates zu tun, und zwar sowohl wohlfahrtsstaatlich wie ökologisch. Mit dem Wohlfahrtsstaat, der eigentlich schon in der traditionellen Gemeinwohlformel angelegt ist, kehrt das summum bonum zurück: das größte Glück der größten Zahl; der gehobene Lebensstandard wird als politisches Recht definiert.«, Norbert Bolz

    Bismarck gilt als Erfinder des Sozialstaats, was war die damalige Motivation? Wie hat sich der Sozialstaat seit damals entwickelt? Führen falsche Anreizsysteme für Politiker in die Krise, denn Gratisleistungen des Staates erscheinen nur gratis, sind es aber natürlich nicht?

    »Es gibt in westlichen Demokratien keine klassisch liberalen Parteien mehr, das sind alles Umverteilungsparteien geworden«

    »Die Gruppe der Menschen, die tatsächlich produktiv und wertschöpfend tätig ist, wird immer kleiner.«

    Dazu passt auch der Gedanke des mittlerweile 93 jährigen Thomas Sowell:

    »You have people making [political] decisions, for which they pay no price when they are wrong. No matter how high a price other people pay.«

    Dr. Gebel hat ein Konzept entwickelt, das er Freie Privatstädte nennt und wir diskutieren über das Konzept, welche Rolle Verwaltung und Regierung einnehmen sollen, wie Anreizsysteme verbessert werden können und vergleichbare andere Ansätze, die in eine ähnliche Richtung gehen. Kann es so etwas wie Verwaltung als Dienstleistung geben?

    » Der Staat sollte aus meiner Sicht theoretisch kein Monopol auf das Staatsgebiet haben. In Liechtenstein haben wir das verwirklicht. So zwingt man den Staat, ein guter Dienstleister zu sein.«, Hans Adam II von Liechtenstein

    Wir sprechen dann über die zwiespältige Entwicklungen des 19. Jahrhundert, Engels und den Manchester-Kapitalismus. Welche Rolle spielt Solidarität, Menschwenwürde? Wer soll diese Gewährleisten, und in welcher Form? Welche Rolle spielt Selbstorganisation (bottom up) im Gegensatz zu staatlichen Top Down Mechanismen?

    Ab wann gleitet ein Sozialstaat in einen »Nanny-State« ab, ganz nach dem alten sozialistischen Motto »Von der Wiege bis zur Bahre« in der Hand des Staates? Gibt es in Deutschland nur mehr vier Grüne und eine rechte Partei, und sind letztlich alle auf dem Pfad des »Rent Seeking«?

    »Aus dem Recht der Bürger, nach ihrem Glück zu streben, wurde längst die Pflicht des Staates, für dieses Glück zu sorgen. Dass in einer Demokratie die Bürger diesen Staat ausmachen und deshalb solche Forderungen an sich selbst adressieren müssten, wird gerne vergessen«, Konrad Paul Liessmann

    Machen wir den Fehler einen vermeintlichen Idealzustand mit dem Ist-Zustand zu vergleichen? Warum gelingt es auch nicht mehr — nach Cicero — dass die Begabtesten in die Politik gehen, sondern wir heute eher eine negative Auslese erleben?

    »Wenn man merkt, dass man ein totes Pferd reitet, sollte man absteigen.«

    Titus Gebel erklärt dann sein Konzept der freien Privatstädte genauer, auch die Abgrenzungen zu Charter Cities und Sonderwirtschaftszonen im Allgemeinen. Warum sind seiner Ansicht nach die Anreizsysteme in diesen Konzepten besser?

    Welche Rolle spielt der Markt — als Entdeckungsverfahren — und wie können wir evolutionäre Prinzipien auch in Verwaltung und Staatswesen etablieren mit Mutation, Nachahmung, Reproduktion, beziehungsweise dem »Seed, Select, Amplify« (Meyer, Davis) Prinzip? Probieren und Scheitern sollte wieder möglich werden, sonst gibt es auch weiterhin keinen Fortschritt.

    »Es wäre besser, wir würden in einer Welt von 2.000 Liechtensteins leben, die alle ein veschiedenes System haben als in 200 Staaten.«

    Aber ist es realistisch, dass sich Koordination von viele kleine Einheiten global bei wesentlichen Fragen umsetzen lässt?

    Wie könnte ein solches System überhaupt umgesetzt werden, wo doch alle Landflächen von existierenden Nationen kontrolliert werden? Gibt es eine reale Chance der Umsetzung? Oder gibt es schon exisitierende Beispiele? Dr. Gebel spricht über Beispiele in China, dem Nahen Osten, Saudi Arabien und Südamerika?

    Sind diese Ansätze nicht nur Gated Communities für die Elite? Was macht ein Gemeinwesen? Ich fühle ja auch keine Gemeinschaft zu anderen Gästen in einem Hotel?

    »Es gibt zwei Arten von Menschen: die einen, die ihre Meinungen anderen aufzwingen wollen, und die anderen, die das nicht wollen und die sagen, Leben und Leben lassen. Die erste Gruppe strebt natürlich in die Politik.«

    Findet der wirkliche politische Konflikt heute nicht, wie so oft behauptet, zwischen links und rechts, sondern vielmehr zwischen autoritär und (klassisch) liberal statt?

    »Leben und Leben lassen in unterschiedlichsten Formen des Zusammenlebens.«

    Referenzen

    Andere Episoden

    Episode 73: Ökorealismus, ein Gespräch mit Björn PetersEpisode 58: Verwaltung und staatliche Strukturen — ein Gespräch mit Veronika LévesqueEpisode 57: Konservativ und ProgressivEpisode 29: Fakten oder Geschichten? Wie gestalten wir die Zukunft?Episode 26: Was kann Politik (noch) leisten? Ein Gespräch mit Christoph ChorherrEpisode 17: Kooperation

    Titus Gebel

    Webseite von Dr. Titus GebelDeutsche Rohstoff AGDual FluidTitus Gebel, Freie Privatstädte: Mehr Wettbewerb im wichtigsten Markt der Welt (2023)Free Cities FoundationLiberty in Our Lifetime Konferenz 2023

    Fachliche Referenzen

    Honduran ZEDEs: Their Past and FutureReason TV: A private libertarian city in Honduras (2023)Franz Oppenheimer, Der Staat (1907)Austrian Institute, „Der Staat soll nicht nur einer privilegierten Schicht dienen, sondern allen Menschen“ – Interview mit Fürst Hans-Adam II. von Liechtenstein (2017)John Stuart Mill, On Liberty (1859) Thomas Sowell im Gespräch mit Peter Robinson, Uncommon Knowledge(7.9.2023)Konrad Paul Liessmann, Lauter Lügen, Paul Zsolnay Verlag (2023) Norbert Bolz, Keine Macht der Moral, Politik jenseits von Gut und Böse, Matthes & Seitz Berlin (2021)Christopher Meyer, Stan Davis, It's Alive, Texere Publishing (2004)Karl Popper, Die Offene Gesellschaft Karl Popper - Ein Gespräch (1974)Roger Scruton, How to be a Conservative, Bloomsbury Continuum (2014)
  • »Wird die Zivilisation mit einem Knall oder einem Winseln untergehen? Der aktuelle Trend ist ein Winseln in Erwachsenen-Windeln.«, Elon Musk

    Existentielle Risiken sind ein Thema, das in diesen Podcast passt, auch weil es eine interessante historische und zukünftige Dimension hat. Zur Zukunft später, zuerst zur Vergangenheit: Zwar gab es auch in der Vergangenheit für die Menschheit oder den Planeten existentielle Risiken, etwa Asteroiden-Einschläge, aber es waren Risiken, die der Mensch weder beeinflussen noch herbeiführen konnte. Die Wirkmacht der Menschen war über den größten Zeitraum menschlicher Geschichte eine lokale.

    Das ändert sich zunächst langsam mit der industriellen Revolution und dann schlagartig ab der Mitte des 20. Jahrhunderts. Die Atomwaffen waren die erste Technologie, die ganz offensichtlich gezeigt haben, dass wir nun in der Lage sind nicht nur ganze Landstriche zu verwüsten, sondern tatsächlich die ganze Welt.

    "Wir waren immer verrückt, aber wir hatten nicht die Fähigkeiten die Welt zu zerstören. Jetzt haben wir sie.", Nassim Taleb

    Was sind existentielle Risiken? Versuch einer Definition:

    »Ein 'existenzielles Risiko' (X-Risiko) ist ein Ereignis, das die Möglichkeiten der Menschheit dauerhaft und drastisch einschränken könnte, indem es zum Beispiel das Aussterben der Menschheit verursacht«, CamXRisk

    Meine erweiterte Definition:

    Ein existenzielles Risiko für die Menschheit ist eine Bedrohung, die große Teile des Planeten oder menschlicher Strukturen zerstört oder große Teile der Menschheit in einem Ausmaß oder auf eine Weise töten könnte, dass eine Wiederherstellung eines modernen Gesellschaftsniveaus innerhalb eines Zeitrahmens von Jahrhunderten nicht wahrscheinlich ist.

    Macht das Auflisten existentieller Risiken, das Ranken Sinn? Mit welchen Einschränkungen, unter welchen Rahmenbedingungen? Ist es überhaupt möglich, die Risiken sinnvoll einzuschätzen und wovon hängt das Risiko ab?

    »Eine Pandemie besteht aus einem neuen Erreger und den sozialen Netzwerken, die er angreift. Wir können das Ausmaß der Ansteckung nicht verstehen, wenn wir nur das Virus selbst untersuchen, denn das Virus wird nur so viele Menschen infizieren, wie es die sozialen Netzwerke zulassen. Gleichzeitig legt eine Katastrophe die Gesellschaften und Staaten offen, die sie angreift.«, Niall Ferguson

    Daher sind die Auswirkungen von Effekten komplexer Bedrohungen oft auch schwer einzuschätzen. So sind etwa trotz Klimawandel:

    »Die jährlichen Todesfälle durch Tornados in den USA sind seit 1875 um mehr als das Zehnfache zurückgegangen« […]

    "Die Zahl der wetterbedingten Todesfälle ist in den letzten hundert Jahren drastisch zurückgegangen, obwohl sich die Erde um 1,2 °C erwärmt hat; sie sind heute etwa 80-mal seltener als noch vor einem Jahrhundert. […]

    Das liegt vor allem an der besseren Verfolgung von Stürmen, dem besseren Hochwasserschutz, der besseren medizinischen Versorgung und der verbesserten Widerstandsfähigkeit der Länder, die sich entwickelt haben. Ein aktueller UN-Bericht bestätigt den Trend der letzten zwei Jahrzehnte", Steven Koonin

    Anhand von drei existentiellen Bedrohungen stelle ich die Schwierigkeit dar, Risiken, Auswirkungen und Rankings zu beurteilen: Atomwaffen, Bevölkerungskollaps und Klimawandel.

    Welche Rolle spielen systemische Effekte? Wechselbeziehungen zwischen Bedrohungen, beziehungsweise sind einzelne Risiken als Folge anderer zu sehen? Wie damit umgehen?

    »Für jede mögliche Katastrophe gibt es mindestens eine plausible Kassandra. Nicht alle Prophezeiungen können beherzigt werden. In den letzten Jahren haben wir vielleicht zugelassen, dass ein Risiko - nämlich der Klimawandel - unsere Aufmerksamkeit von den anderen ablenkt«, Niall Ferguson

    Das Leben in einer modernen, komplexen Gesellschaft — im Anthropozän — hat positive Auswirkungen: wir sind weiter von der Natur entfernt, sind sicherer und haben einen viel höheren Lebensstandard als je zuvor. Wir sterben nicht mehr im Einklang mit der Natur, wie Hans Rosling es ausdrückte. Aber sie hat eben auch negative Auswirkungen, die leider existentielle Risiken darstellen können.

    Die Konzentration auf die Eindämmung eines einzigen Risikos (z. B. des Klimawandels) kann dazu führen, dass wir andere Risiken unterschätzen oder sogar andere Risiken dramatisch erhöhen.

    »Wir sind immer gut vorbereitet auf die falsche Katastrophe. [...] Aber die Geschichte warnt uns, dass man nicht die Katastrophe bekommt, auf die man sich vorbereitet.«, Niall Ferguson

    Wie können wir aber mit einer Vielzahl an miteinander verknüpften Risiken umgehen? Was könnten wir unternehmen um unsere Gesellschaft in einem breiteren Sinne resilienter, widerstandsfähiger zu machen? Welche Fehler haben wir in der Covid-Pandemie gemacht und was können wir daraus lernen?

    Und nicht zuletzt — was ist die Liste der existentiellen Bedrohung in meiner Reihenfolge (die unbedingt kritisiert werden sollte!):

    AtomwaffenNatürliche oder künstlich erzeugte Pathogene (»Demokratisierung« der Wissenschaft)Zusammenbruch kritischer Infrastrukturen (Energie, Finanz, IKT, ...)Solarer Supersturm (auch Carrington-Ereignis genannt)Außer Kontrolle geratene Automatisierung/Robotik ("AI", aber auf einer allgemeineren Ebene)Klimawandel (insbesondere für den Fall, dass Kipppunkte und ein unkontrollierbarer Klimawandel auftreten)Nanotechnologie oder andere Möglichkeiten zur drastischen Veränderung von Herstellung und Chemie, die zu Nanomaschinen führenBevölkerungskollaps beziehungsweise starkes globales UngleichgewichtÖkosystemkollaps mit »Domino-Effekten«Unbekannte Unbekannte (»Unknown unknowns«)Grüne Gentechnik die außer Kontrolle gerätPolitischer/religiöser ExtremismusAsteroideneinschlag auf der ErdeGeoengineering (auch als Konflikt-Auslöser, -Verstärker)

    Diese Liste ist als Anregung gedacht, dieses Thema zu diskutieren. Ist die Reihenfolge richtig? Wahrscheinlich nicht. Fehlt etwas?

    Die Kluft zwischen Nutzen und Katastrophe scheint durch moderne Technologie immer schärfer zu werden. Wir sind also gut beraten, diese Bedrohungen ernst zu nehmen. Aber um einen Punkt zu wiederholen: es ist ein großer Fehler, sich hauptsächlich auf eine Bedrohung in dieser Liste zu konzentrieren, welche auch immer das sein mag, und zu glauben, wir könnten so unser gesellschaftliches Risiko verringern.

    Das werden wir nicht.

    Referenzen

    Andere Episoden

    Episode 74: Apocalype AlwaysEpisode 60: Wissenschaft und Umwelt — Teil 2Episode 59: Wissenschaft und Umwelt — Teil 1Episode 55: Strukturen der WeltEpisode 51: Vorbereiten auf die Disruption? Ein Gespräch mit Herbert Saurugg und John HaasEpisode 45: Mit »Reboot« oder Rebellion aus der Krise?Episode 44: Was ist Fortschritt? Ein Gespräch mit Philipp BlomEpisode 37: Probleme und LösungenEpisode 33: Naturschutz im Anthropozän – Gespräch mit Prof. Frank ZachosEpisode 27: Wicked ProblemsEpisode 21: Der Begriff der Natur – oder: Leben im Anthropozän

    Fachliche Referenzen

    Cambridge Existential Risks Initiative (CERI)Hans Rosling, Factfulness: Wie wir lernen, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist, Ullstein (2019)Niall Ferguson, Doom, The Politics of Catastrophe, Penguin (2022)Steven E. Koonin, Unsettled, BenBella Books (2021)Climate Change Debate: Bjørn Lomborg and Andrew Revkin | Lex Fridman Podcast #339Niall Ferguson on disaster preparation, TriggernometryNear Miss: The Solar Superstorm of July 2012, NASA (2014)Lloyds, Solar storm risk to the North American electric grid (2013)The Economist Briefing, It’s not just a fiscal fiasco: greying economies also innovate less (2023)The five biggest threats to human existence, The Conversation (2014)Elon Musk on artificial intelligence, Conversation with Tucker Carlson (2023)
  • In der heutigen Episode freue ich mich einerseits, dass mein Haus und Hof Biologie Prof. Erich Eder sich wieder die Zeit für ein Gespräch nimmt, und nicht nur das, er bringt den Physiker Werner Gruber mit — wie man früher gesagt hat: bekannt (unter anderem) aus Rundfunk und Fernsehen, Kabarett sowie Autor mehrerer Bücher.

    Der Titel der heutigen Episode ergibt sich gleich daraus, dass wir nur ca. ein bis zwei der von mir überlegten Fragen überhaupt angegangen sind: »Gott und die Welt«. Ich beginne das Gespräch mit einem Zitat des britischen Philosophen Roger Scruton:

    »The Enlightenment had replaced mystery with mastery.«, Roger Scruton?

    Was ist Aufklärung? Wer ist Verantwortlich für Fortschritt und Rückschritt? Was ist die Aufgabe der Wissenschaft, welche Rolle spielt Galileo bei der Frage nach dem Warum und nach dem Wie? Welche epistemologische Rolle spielt das Messgerät, die Technik in Wechselwirkung mit Wissenschaft?

    Was ist der Unterschied zwischen Wissenschaftern und Technikern? Und... ist die Medizin eine Wissenschaft? Erich hat da in der Ansprache zu Medizinstudenten einen pragmatischen Zugang:

    »Ihr seid eh auch irgendwie Biologen, ihr beschäftigt euch halt nur mit einer Affenart. und da nur mit den Krankheiten und wie man sie heilen kann«

    In diesem Zusammenhang gibt Werner Gruber auch einen wesentlichen Tipp: was sollten Sie tun, wenn Sie von Außerirdischen entführt werden und auf dieser Reise erkranken?

    Welche Rolle spielt der Nobelpreis für die Wissenschaft und was ist notwendig um einen Nobelpreis zu gewinnen? Der Österreicher Anton Zeilinger hat zuletzt den Nobelpreis für Physik erhalten, was steckt da fachlich und methodisch dahinter?

    Ohne die Freiheit, "Sachen zu machen die nicht Mainstream waren", sei seine Forschungsarbeit nicht möglich gewesen, Anton Zeilinger

    Der in Österreich geborene Physiker Max Perutz, der in den 1930er Jahren vor den Nazis nach England fliehen musste und dort im berühmten Cavendish Laboratorium arbeiten könnte, erhielt einen Nobelpreis mit John Kendrew für seine Arbeiten am Haemoglobin.

    Später leitete er selbst das Labor und in dieser Zeit erhielten neun (!) seiner Mitarbeiter ebenfalls Nobelpreise. Auf die Frage, wie er das Labor führt und diesen Erfolg ermöglicht hat:

    »no politics, no committees, no reports, no referees, no interviews; just gifted, highly motivated people, picked by a few men of good judgement.«

    Sind wir an unseren Universitäten für Forschung und Lehre richtig aufgestellt? Was könnten und sollten wir verändern? Welche Rolle spielen schräge Vögeln in der Forschung und erlauben wir diese überhaupt noch an den Unis und Forschungseinrichtungen?

    »Quantität in der Wissenschaft hat massiv zugenommen, aber nicht die Qualität«

    Welche Rolle spielt die Ruhe und Nachdenken in Bildung und Wissenschaft? Schule kommt immerhin vom griechischen σχολή (scholē) was Muße bedeutet. Nutzen wir die Strukturen, die wir eingeführt haben (Universität, Fachhochschule) richtig?

    »Ich würde heute nicht mehr studieren wollen«

    Was ist die wichtigste Erfindung des 20. Jahrhunderts?

    Wie grenzen sich Wissenschaft und Aktivismus ab, und welche Rolle spielt Wissenschaft und Expertise in politischen Entscheidungsprozessen? Warum halten sich so viele Menschen heute für Experten einer Sache (z.B. der Physik) ohne auch nur die relevanten Grundkenntnisse zu besitzen — wer ist nun ein Experte? In den Medien ist jeder Wissenschafter (oder jemand der wie ein solcher wirkt) Experte (für eh alles)?

    »Wir forcieren in der Politik nicht die Personen, die auch Mut zum Versagen haben«

    Gefühl oder Zahlen? Wie ein Statistiker die Küche des Schweizerhauses optimiert.

    Wie haben wir die Covid-Pandemie bewältigt? Was den Bürgermeister von Rostock geleitet hat und welche Kritik aktuelle Cochran Studie aufwerfen.

    Was hat es mit Plagiatsjägern und Betrug in der Ausbildung auf sich? Hat die höhere Bildung überhaupt den Wert den wir ihr zuschreiben, oder ist sie im Wesentlichen Signalisierung?

    »Es ist eigentlich wurscht wo es hinführt, ich persönlich will es wissen.«

    Referenzen

    Andere Episoden

    Episode 67: Wissenschaft, Hype und Realität — ein Gespräch mit Stephan SchleimEpisode 50: Die Geburt der Gegenwart und die Entdeckung der Zukunft — ein Gespräch mit Prof. Achim LandwehrEpisode 48: Evolution, ein Gespräch mit Erich EderEpisode 47: Große WorteEpisode 44: Was ist Fortschritt? Ein Gespräch mit Philipp BlomEpisode 41: Intellektuelle Bescheidenheit: Was wir von Bertrand Russel und der Eugenik lernen könnenEpisode 38: Eliten, ein Gespräch mit Prof. Michael HartmannEpisode 28: Jochen Hörisch: Für eine (denk)anstössige Universität!Episode 2: Was wissen wir?

    Werner Gruber

    Werner Gruber auf Wikipedia

    Erich Eder

    Erich Eder an der SFU

    fachliche Referenzen

    Roger Scruton, Fools, Frauds and Firebrands, Bloomsbury (2019)Physik Nobelpreis für österr. Quantenphysiker Anton Zeilinger (2022)Max Perutz: Geoffrey West, Scale: The Universal Laws of Life and Death in Organisms, Cities and Companies, W&N (2018)Mark Alan Smith, Masking Uncertainty in Public Health, Quintette (2023)Bryan Caplan, The Case against Education — Why the Education System Is a Waste of Time and Money, Princeton University Press (2019)»Plagiatsjäger« Stefan Weber
  • Ich habe mich schon in früheren Episode mit der Frage auseinandergesetzt, wie man in schwierigen, potentiell kritischen Situationen entscheiden und handeln soll. Kürzlich bin ich auf einen Artikel des australischen Philosophen Michael Barkun, Thinking About The End in Contemporary America aus dem Jahr 1983 aufmerksam geworden.

    Ich lese ältere Artikel der 50er bis 80er Jahre mit immer größerem Interesse, weil ich auch hier feststelle, dass viele der Beobachtungen und Erkenntnisse dieser Zeit, obwohl sie 40-70 Jahre zurückliegen, immer noch zutreffen und diese Artikel häufig viel besser geschrieben sind als heutige. Die fundamentalen Dinge ändern sich offenbar doch nicht ganz so schnell, wie von vielen behauptet...?

    Diese Episode wird eine kurze Reflexion über Katastrophismus und apokalyptische Prognosen und Aktivisten sein. Wie immer bei solchen Reflexionen, freue ich mich auf kritische Zuschriften.

    In dieser kurzen Reflexion stelle ich die Frage, woher Katastrophismus und Untergangsglaube kommt, dass er nahezu eine Konstante der menschlichen Geschichte ist, aber auch, dass wir deutliche Unterschiede im 20. und 21. Jahrhundert wahrnehmen, nämlich eine Verschiebung von religiösen zu säkularen Ideen.

    »Speculations about the end of history form an almost unbroken chain over two and a half millenia«, Michael Barkun

    Auch in früheren Gesprächen, etwa mit Prof. Achim Landwehr haben ich sehr ähnliche Aspekte bereits thematisiert. Ein Nachhören dieser älteren Episoden zahlt sich aus:

    »Wenn Apokalypse nie ausstirbt, dann heißt das aber auch: Die Welt geht nie unter. Das ist dann vielleicht die positive Konsequenz, die man daraus ableiten könnte.«

    Ich zitiere später in der Folge den britischen Philosophen John Gray, der sich in seinem hervorragenden Buch Black Mass sehr kritisch mit milleniaristischen und utopistischen Strömungen auseinandersetzt:

    »The world in which we find ourselves at the start of the new millennium is littered with the debris of utopian projects. […] The alteration envisioned by utopian thinkers has not come about, and for the most part their projects have produced results opposite to those they intended.«

    Die Tatsache, dass wir die Trümmer vergangener Utopien links und rechts um uns herum sehen, hindert aber neue Utopisten nicht daran wieder ihre reine Lehre allen anderen aufzwingen zu wollen:

    »The use of inhumane methods to achieve impossible ends is the essence of revolutionary utopianism.«

    Wir erleben gerade eine Vielzahl an katastrophistischen, fast religionsartigen Bewegungen wie etwa Just Stop Oil, Extinction Rebellion oder die Letzte Generation. An dieser Stelle Screenshots von zwei Webseiten, die im Podcast erwähnt werden:

    Extinction Rebellion

    Letzte Generation

    Das Pamphlet endet mit den bescheidenen Worten:

    »Und wir stehen auf der richtigen Seite der Geschichte.«

    Am Ende stelle ich die Frage, wie wir als Gesellschaft nun mit solchen apokalyptischen Vorhersagen und kultartigen Strömungen umgehen sollen, besonders in Bezug auf Klimawandel, um den sich die meisten heute drehen. Diese Verengung ist für sich genommen bemerkenswert, denn denkt man über existentielle Bedrohungen der Menschheit nach, fallen mir ohne lange Überlegungen fast ein Dutzend Bedrohungen ein, der Klimawandel ist da nur eine unter vielen.

    Dies merkt auch der britischen Historiker Niall Ferguson an; aus seinem ebenfalls sehr lesenswerten Buch Doom zitiert:

    “For every potential calamity, there is at least one plausible Cassandra. Not all prophecies can be heeded. In recent years we may have allowed one risk — namely climate change — to draw our attention away from the others.”

    Dazu kommt noch die wesentliche Frage, ob diese Probleme, die hier angesprochen werden, überhaupt eine Lösung in einem traditionellen Sinn hat, wie diese Aktivisten behaupten. Dazu empfehle ich die Episode Probleme und Lösungen nachzuholen.

    “There are no solutions, only tradeoffs.”, Thomas Sowell

    Am Ende noch ein Zitat aus dem herausragenden Buch von Jacob Bronowski aus dem Jahr 1956, das im Grunde meine Episode über den Irrtum der »Follow the Science« vorwegnimmt (allerdings bin ich erst nach meiner Episode auf dieses Buch gestossen):

    »There is no more threatening and no more degrading doctrine than the fancy that somehow we may shelve the responsibility for making the decisions of our society by passing it to a few scientists armoured with a special magic.«

    Referenzen

    Andere Episoden

    Episode 76: Existentielle RisikenEpisode 62: Wirtschaft und Umwelt, ein Gespräch mit Prof. Hans-Werner SinnEpisode 60: Wissenschaft und Umwelt — Teil 2Episode 59: Wissenschaft und Umwelt — Teil 1Episode 51: Vorbereiten auf die Disruption? Ein Gespräch mit Herbert Saurugg und John HaasEpisode 50: Die Geburt der Gegenwart und die Entdeckung der Zukunft — ein Gespräch mit Prof. Achim LandwehrEpisode 47: Große WorteEpisode 46: Activism, a Conversation with Zion LightsEpisode 45: Mit »Reboot« oder Rebellion aus der Krise?Episode 39: Follow the Science?Episode 37: Probleme und Lösungen

    Fachliche Referenzen

    Apocalypse Always, Blog Artikel (2023)Existential Threats, Blog Article (2023)Michael Barkun, Syracuse UniversityMichael Barkun, Thinking about the end in contemporary America, Soundings: An Interdisciplinary Journal Vol. 66, No. 3 (Fall 1983), pp. 257-280Andrea Wulf, Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur, Bertelsmann (2016)John Gray, Black Mass, Penguin (2008)Just Stop OilExtinction Rebellion, Citizens Assembly, Climate Change (2021)Letzte Generation, Berlin zum Stillstand bringen (April 2023)Niall Ferguson, Doom, Deutsche Verlagsanstalt (2021)Jacob Bronowski, Science and Human Values, Faber and Faber (1956)Michael Crichton, Why Speculate? (2002)