Afleveringen

  • Bin ich kaufsüchtig? Nach so manch einer Shopping-Tour drängt sich einem der Verdacht auf. Tatsächlich sind in Deutschland 18 Prozent von Konsumsucht betroffen, weltweit sind es knapp acht Prozent der Weltbevölkerung. Und dabei ist Kaufsucht noch nicht einmal davon abhängig, ob jemand arm oder reich ist. Professor Dr. Dr. Oliver Hoffmann, Autor zahlreicher Bücher zu diesem Thema, beschreibt die Konsumsucht, die ihrer Bedeutung nach wissenschaftlich noch nicht entsprechend aufgearbeitet wurde, im psychologischen, soziologischen und ökonomischen Kontext.

    Konsum ist gewollt. „Kapitalismus benötigt Kaufsucht“, so Dr. Hoffmann über unser kapitalistisches System, in dem einerseits die Wirtschaft beflügelt, die Konsumsucht aber leider gefördert wird, was sie zu einer gefährlichen Thematik für den Einzelnen werden lässt, so Dr. Hoffmann. In Europa wurde die Konsumsucht noch nicht als Verhaltensstörung anerkannt.

    In dieser Folge beschreibt er, wie sich Kaufsucht definiert, dass sie Arm und Reich betrifft und auf jedem Niveau passieren kann. „Die Mechanismen sind universell“, sagt er. Gerade im unteren Bereich des Einkommensspektrum lauere die Gefahr der Konsumsucht, die auf einem Belohnungsmechanismus und Konditionierungseffekten beruht. Das wohltuende Kauferlebnis wird wiederholt, ein Suchtverhalten etabliert sich. Wenn sie zu einem Ritual geworden ist, sollte man aufmerksam werden.

    Mit dem sozialen Vergleich hat sich die Konsumsucht in den vergangenen 30 Jahren erhöht. Es wird nicht mehr wegen des Kauferlebnisses gekauft, sondern auch, um sich etwas Schönes in der Zukunft zu sichern – eine Reise, einen schönen Moment. Dabei stehen teure Dinge nicht im Verhältnis zu ihrem Wert und praktikablen Nutzen.

    Gucci-Tasche hin oder her. „Auch sie transportiert letztendlich nur Gegenstände“, so Hoffmann. Er rät dazu, vor jedem Kauf zu reflektieren. Wozu kaufe ich es, warum und brauche ich es? Den Konsumismus überwinden könne man nur, wenn man sein Kaufverhalten ändert. Dem Weniger mehr Wert schenken, lautet seine Formel, mit der sich - beginnend mit dem Individuum - das Konsumverhalten innerhalb der Gesellschaft verändern ließe. Ob nachhaltiges Essen oder mehr Ruhe für sich: „Wenn wir den inneren, reduzierten Konsum mit nutzerorientiertem Konsum verbinden, kann uns das gelingen“, hofft Hoffmann, dass sich der Erkenntnisprozess in der Gesellschaft und in jedem Individuum festsetzt.

    Prof. Dr. Dr. Oliver Hoffmann: ist Autor zahlreicher Bücher, die ökonomische, soziologische und psychologische Themen miteinander verbinden.

    Buchtipp: „Die benötigte Sucht“, „Ökonomie der Erinnerung“, „Vom nützlichen Luxus“, alle im Nomos-Verlag

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  • Trennung ist Trauer, denn Trennung bedeutet Verlust.

    Nach einer Trennung durchleben wir eine Achterbahn der Gefühle. Mit ihr gehen auch die Planbarkeit unseres Lebens und das Gefühl von Sicherheit verloren. Doch eine Trennung ist auch die Chance, den Fokus auf sich selbst zu richten, auf sich selbst als Individuum mit ganz eigenen Stärken, Bedürfnissen und Wünschen. Wie der Weg aus der absoluten Hilflosigkeit und Sinnverlust gelingen kann, zeigt in dieser Folge der Psychologe Daniel Breutmann auf.

     

    Wenn einem der Boden unter den Füßen weggezogen wird, scheint zunächst nichts mehr zu gehen.

    Trennung ist schmerzhaft für beide Seiten. Ein erster Schritt ist, die Gefühle zuzulassen und in den Schmerz zu gehen. „Wir sollten weinen, wütend und traurig sein. Denn erst, wenn wir die Emotionen freigelassen und verarbeitet haben, können wir uns erleichtert und befreit neuen Perspektiven öffnen“, sagt er. 

     

    Daniel Breutmann kennt viele Menschen mit akutem Liebeskummer und erlebt, dass sich die Klienten schnell fokussieren können, in dem sie sich fragen, wohin sie wirklich wollen, was sie brauchen als Individuum, als das sie sich in der Beziehung nicht zu 100 Prozent entwickeln konnten. Sie finden zurück zu Hobbies und Interessen, zurück zu sozialen Kontakten. Breutmanns Anliegen ist es, Menschen dafür zu öffnen in die Reflexion zu gehen, sich Gefühle und Schmerzen zu erlauben, aber auch, sich den eigenen Bedürfnissen zu öffnen, Denkmuster aufzulösen und auf die Selbstwirksamkeit zu vertrauen, um Stärke, Mut und Zuversicht zu gewinnen.

     

    In der Folge geht es um Freunde, die einen begleiten, um Menschen, die das Alleinsein nicht aushalten und zu allen Kompromissen bereit schnell wieder einen neuen Partner suchen. Es geht um den inneren Frieden, in dem der Partner als jemand, der Sicherheit gibt und Angst nimmt eine untergeordnete Rolle spielt. Und es geht um Humor, „denn Humor hilft, uns von uns selbst zu distanzieren, so dass wir nicht mehr in den Emotionen feststecken und handlungsfähiger werden“.

     

    Daniel Breutmann ist Psychologe, systemischer Therapeut und Coach. Er lebt und arbeitet in der Nähe von Frankfurt am Main.

     

    Medientipp: Daniel Breutmann und Daniel Jennewein: Die „Trennungskiste Herzschmerz“, ein Kartenset mit 54 Karten, Klett Cotta-Verlag 2024.

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  • Zijn er afleveringen die ontbreken?

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  • Chronische Schmerzen….eine Sache des Gehirns.

    Chronische Schmerzen können viele Ursachen haben. Verzweiflung und Ängste nagen am Energielevel, mitunter beugen sie den Lebenswillen. Schmerzen aber passieren im Kopf, weiß Dr. Christiane Wolf und auch, dass Methoden der achtsamkeitsbasierten Lehre helfen und bei chronischen Schmerzen wirksam sind. Die Medizinerin ist nach Jahren an der Charité vor 20 Jahren in die USA ausgewandert, wo sie sich der MBSR im direkten Kontakt am Patienten widmet.

    Für chronische Schmerzen lassen sich oft keine schulmedizinischen Gründe finden, sie sind weder nachweisbar noch behandelbar. Aber: „Es gibt keine eingebildeten Schmerzen“, so Dr. Wolf. Chronische Schmerzen werden im Gehirn gemacht, wo Schmerzrezeptoren eine Gefahr melden. Meldet das Gehirn Schmerzen, bedeutet das jedoch nicht, dass der Körper sehr schwer erkrankt sein muss. „Lernt man, sich dem inneren Kampf zu stellen und den Schmerz zu akzeptieren, geht der Stresslevel herunter, was Schmerzen lindern oder sogar verschwinden lassen kann. Achtsamkeit ist wirksam“, sagt die Medizinerin.

    Christiane Wolf führt hin zu Meditationen und Achtsamkeitsübungen, die zu einer neuen Körperwahrnehmung verhelfen. Diese besteht darin, den Fokus vom Schmerz wegzulenken auf Körperpartien, die schmerzfrei sind und zeigen, dass der Körper funktioniert. Ein ganz besonderes Augenmerk liegt für die Trainerin auf der Entwicklung eines Selbstmitgefühls. „Wer mit sich selbst freundlich und liebevoll umgeht, kann so auch den Stresslevel senken“. Wie das geht, beschreibt Dr. Christiane Wolf unter anderem in dieser Folge und auch, wie sich Patienten in akuter Panik herunterfahren können.  

    Dr. med. Christiane Wolf, ursprünglich Gynäkolohgin an der Charité in Berlin, ist vor 20 Jahren nach Kalifornien ausgewandert und bildet dort Achtsamkeits- und MBSR-Lehrende an der Universität San Diego sowie an der US Veterans Administration und Insight LA aus. Sie arbeitet vorrangig mit chronisch schmerzgeplagten Menschen. Sie lehrt in der Vipassameditation durch das Spirit Rock Meditationszentrum und die Insight Meditation Society. Wolf unterrichtet Schweigeretreats und Kurse in den USA und Europa und ist Autorin.

    Buchtipp: Christiane Wolf: Achtsamkeit und Selbstmitgefühl bei chronischen Schmerzen, Schattauer, 2024

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  • Shownotes zur Podcast-Folge mit Ulrike Hensel über Hochsensibilität im Beruf

    Bin ich hochsensibel? Erlebe ich die (Arbeits-)Welt des Öfteren als belastend angesichts steigender Arbeitsdichte und einer wachsenden Flut von Reizen? Spüre ich besondere Bedürfnisse gerade auch bei der Arbeit, nicht zuletzt in der Kommunikation mit den Kolleginnen und Kollegen? Wer viel wahrnimmt, viel empfindet und viel nachdenkt, ist schneller erschöpft und überreizt und braucht Zeit und Raum für Rückzug. Auch im Büro. Zu viele Gespräche, zu viel Hektik, zu viele Geräusche können den Stresspegel schnell erhöhen. Weil sie grundsätzlich sehr intensiv fühlen, empfinden hochsensible Menschen (HSP) eine etwaige berufliche Unzufriedenheit als besonders frustrierend und bedrückend. Woran eine Hochsensibilität erkannt werden kann, wie man über sie spricht und wie Selbstfürsorge gelingen kann, darüber klärt Ulrike Hensel auf. Sie ist selbst hochsensibel, Coach für Hochsensible und Autorin mehrerer Bücher zum Thema.

    Hochsensible können auch extravertiert sein

    Längst nicht alle HSP sind still und zurückhaltend. 30 Prozent der hochsensiblen Menschen sind sozial extrovertiert. Eine Hochsensibilität äußert sich überhaupt ganz verschieden, denn sie ist überaus individuell. Einfache Problemlösungen und Patentrezepte in Bezug auf die komplexe Thematik gibt es nicht, wohl aber Wege zu einer stimmigen persönlichen Entwicklung, zu der Ulrike Hensel ermutigen möchte. Darüber hinaus werden zahlreiche Aspekte der Hochsensibilität im Beruf erörtert. Zum Beispiel wie hochsensible Menschen sich mit ihren besonderen Fähigkeiten einbringen können und welche Voraussetzungen dafür günstig sind. Auch was Arbeitgeber und Vorgesetzte dazu beitragen können.  

    Förderliche Bedingungen schaffen und Potenzial entfalten

    Oftmals geht es gar nicht darum, sich als hochsensible Person qua Definition zu „outen“, sondern vielmehr darum, die eigenen Bedürfnisse aus der konkreten Situation heraus im Arbeitsumfeld zu äußern. Hochsensible brauchen viel Freiraum in der Erfüllung ihrer Aufgaben, flexible Arbeitszeiten kommen ihnen sehr entgegen. „Sie arbeiten gar nicht gern nach engen Vorgaben und unter Kontrolle. Hochsensible sind von sich aus bestrebt, gute Arbeit abzuliefern“, so Ulrike Hensel. Hochsensible Menschen sind in allen Bereichen und Branchen anzutreffen und es kommen ganz unterschiedliche Berufe für sie in Frage. Entscheidend für die berufliche Zufriedenheit sind vor allem die Umstände an der konkreten Arbeitsstelle. „Für die Stellenwahl ist es nützlich, wenn die HSP sich gut kennt, um ihre vorrangigen Bedürfnisse weiß und selbstbewusst dafür eintreten kann.“

    Ulrike Hensel ist Autorin und Coach für Hochsensible. Sie hat Angewandte Sprachwissenschaft studiert und sich über Jahrzehnte hinweg intensiv mit den Themen Kommunikation, Psychologie, Persönlichkeitsentwicklung, Hochsensibilität und Lebenskunst beschäftigt.

    Buchtipp: Ulrike Hensel: „Hochsensibel im Berufsleben – Begabungen nutzen, Herausforderungen meistern und Möglichkeiten ausloten“, Junfermann Verlag 2024. Weitere Buchtitel: „Hochsensible Mitmenschen besser verstehen“ und „Hochsensibel sein – 22 Impulse“

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  • Führung im System Familie

    Jeder von uns ist eine Führungskraft, zumindest im eigenen Leben. Speziell im Familiensystem kann es leicht passieren, dass uns die Klarheit abhandenkommt. Die Funktion Führung wird geschwächt, weil sie von den Eltern nicht bewusst wahrgenommen wird, sagt Daniel Knabl, Dipl. Psychosozialer Berater, systemischer Coach und Unternehmensberater. Der Prozess beginnt meist schleichend und unbemerkt oder wird überraschend durch ein tragisches Ereignis ausgelöst. In beiden Fällen sind die Auswirkungen dieselben: Frust, Schmerz, Streit, Konflikte, Trotzreaktionen – sowohl bei den Kindern als auch bei den Eltern. Die Atmosphäre wird immer weiter aufgeheizt und vergiftet, obwohl das im Grunde niemand in der Familie möchte.

    In dieser Folge gehen wir diesen Phänomenen auf den Grund und beleuchten Führung in der Familie aus ungewohnten Perspektiven. Es passiert oft, dass alte systemische Verletzungen über Generationen hinweg weitergegeben werden. Als Eltern tragen wir daher die Verantwortung, diese transgenerationalen und aktuellen Themen aufzuarbeiten und aufzulösen, damit unsere Kinder in einer förderlichen und stärkenden Umgebung heranwachsen können.

    Eltern sind Vorbild für das Lernen am Modell

    „Wir können unsere Kinder erziehen, wie wir wollen, schlussendlich machen sie uns doch alles nach“, frei nach Karl Valentin. Es geht also um Vorbildwirkung, um Lernen am Modell. Was relativ einfach klingt, kann – ohne entsprechendes Bewusstsein – schnell zu einer Nagelprobe für die Partnerschaft und für sämtliche Beziehungen innerhalb der Familie werden. In der systemischen Beratung geht es daher in erster Linie darum, Klarheit zu schaffen und Bewusstsein zu fördern. Dies gelingt am besten, wenn wir uns erlauben, uns selbst auch als spirituelle Wesen zu betrachten. Auf diese Weise werden Situationen leichter zu ertragen und Lösungen werden möglich, wo vorher scheinbar nichts mehr zu machen war.

    Das Genogramm als wirkungsvolles Tool

    Ein Werkzeug, das hier oftmals zum Einsatz kommt, ist das Genogramm im Rahmen einer systemische Familienaufstellung. Das Genogramm ist ein strukturierter, standardisierter Familienstammbaum. Es macht Verletzungen von Systemprinzipien, sowie Dynamiken innerhalb eines Systems sichtbar und dient somit als Landkarte im Beratungsprozess. Durch die Visualisierung von Strukturen und Dynamiken einer Familie können Muster sichtbar werden, welche sich über Generationen ziehen und in der Gegenwart zu unerwünschten Symptomen führen. Klientinnen und Klienten erleben bereits die Arbeit mit dem Genogramm oft schon als Erleichterung. Wird dann noch aktiv daran gearbeitet, Klarheit ins System zu bringen und die Funktion Führung zu stärken, dann wird der Weg geebnet für eine leichtere und freudigere Zukunft.

    Daniel Knabl ist Dipl. Psychosozialer Berater, systemischer Coach und Unternehmensberater und lebt in Österreich.

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  • Nichts wünschen sich Eltern mehr, als in Verbindung mit ihren Kindern zu sein und zu bleiben. Trotz Kleinkind-Trotz und Teenager-Allüren sagt Dr. Britta Hahn: Das ist möglich. Emotionale Sicherheit in der Eltern-Kind-beziehung ist Voraussetzung für eine stabile psychische Gesundheit im Erwachsenenalter der Kinder. Viele Verhaltensweisen der Eltern beruhen jedoch auf Erwartungen und Haltungen, mit denen diese in ihrer eigenen Kindheit konfrontiert wurden. Diese unbewussten Muster boykottieren oftmals die Bemühungen, in einem herzlichen und echten Kontakt zu den Kindern zu bleiben.

    Fühlen sich Eltern vom Geschrei des Kindes getriggert, kann das Aggression oder Trauer auslösen. In der Interaktion mit dem Kind handeln Eltern aus ihrer erwachsenen Kompetenz heraus“, so Britta Hahn, die Eltern begleitet und vermittelt, wie wichtig es ist, die eigenen Beziehungen zu den Eltern zu reflektieren und negative Gefühle, die einer Verbindung im Wege standen, loszulassen. „Anstatt aus dem erlernten Muster heraus irrational, konfrontativ oder sogar gewalttätig zu reagieren, ist es wichtig, als reflektierender Erwachsener zu handeln“, sagt sie. „Wenn Eltern ihre Gefühle regulieren können, bleiben sie in guter Beziehung zum Kind.

    Dabei ist ihr wichtig zu sagen, dass Eltern Grenzen setzen dürfen und müssen. Es dem Kind immer recht machen zu wollen, führt es nicht in die Eigenverantwortung. Eltern sind keine Versager, wenn Sie dem Kind ein „Nein“ entgegensetzen. Kinder kennen die Konsequenzen noch nicht, aber die Eltern. „Es ist ein unerfüllbarer Anspruch, alles richtig machen zu wollen. Wichtig ist, den Umgang mit dem Unvollkommenen zu lernen und Disharmonie zu ertragen.

    Wir funktionieren zu 95 Prozent autonom. Auch unsere sozialen Reaktionen sind Prägungen, die wir mit der Muttermilch aufgesogen haben. Gesteuert werden sie durch den Vagusnerv. In diesem Zusammenhang erklärt die Ärztin den Zusammenhang mit der Polyvagaltheorie sowie die neuronalen und sozialen Grundlagen ungünstiger Eltern-Kind-Dynamiken. Und zeigt Lösungswege auf.

    Das Wichtigste aber: Wenn Eltern mit dem Herzen dabeibleiben, bleibt auch die Beziehung zum Kind.  

    Dr. Britta Hahn ist Ärztin für Allgemeinmedizin und Homöopathie hat vier Kinder, arbeitet und lebt in Villingen-Schwenningen, wo sie einen Waldkindergarten führt. Außerdem hat sie in Trossingen das Lebenshaus im Verein für soziale Integration mitgegründet und leitet Seminare.

    Zum Weiterlesen:

    Dr. Britta Hahn, „Mama, beruhige dich!“, Junfermann Verlag 2024,

    Dr. Britta Hahn: „Mama, was schreist du so laut?“, Junfermann Verlag

    Dr. Britta Hahn, „Ich will anders als du willst, Mama“, Junfermann Verlag  

     

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  • Allein sein heißt nicht einsam sein. Einsamkeit kann auch in der Beziehung mit anderen Menschen empfunden werden. Was hat die Pandemie mit  der Aufforderung zum Social Distancing mit den Menschen gemacht? Gerade viele junge Menschen sind mit dem Gefühl der Einsamkeit nicht zurechtgekommen und haben eine psychische Störung entwickelt, sagt Professorin Dr. Sonia Lippke. Die Gesundheitspsychologin und Verhaltensmedizinerin an der Constructor University Bremen spricht über Wege aus der Einsamkeit und darüber, in Reflexion mit sich zu gehen und in den Dialog.

    Social Distancing hat die Psyche belastet

    Was ist gefährlicher, das Virus oder die Einsamkeit? Dieser Frage stellten sich die Forschenden angesichts nachhaltig steigender Zahlen von psychisch Erkrankten nach der Pandemie. Das Social Distancing hat vor allem jenen geschadet, die vorbelastet in die Pandemie gegangen sind. Weniger waren die betroffen, die in ihrer Kindheit eine gute und sichere Bindung erfahren haben.

    Frauen haben mehr Erwartungen an eine Beziehung als Männer. Sie kämpfen stärker um die Beziehungsqualität. Während sie nach im Allgemeinen ein größeres Netzwerk pflegen, suchen sich Männer eine neue Partnerin, um vertrauten Verhaltensmustern zu verfallen. „Eine neue Partnerschaft ist keine Garantie dafür, dass die Einsamkeit abnimmt“, so Dr. Lippke. Das Gefühl der Einsamkeit aber habe nichts mit dem Geschlecht zu tun. Hier hilft der Blick auf die Beziehungsmuster und darauf, das eigene Verhalten zu verändern.

    Zeit für sich, Zeit für die anderen

    Zeit für sich selbst zu haben, um in Reflexion mit sich und den eigenen Bedürfnissen gehen zu können, ist sehr wichtig. Die Pandemie habe dies gerade bei jungen Eltern gezeigt, die zwischen Familie, Haushalt und Job ständige Präsenz zeigen mussten. Studien haben außerdem gezeigt, dass jüngere Menschen es schwerer haben, Emotionen im Gesicht abzulesen. Sie haben soziale Kompetenzen nicht so erlernt wie ältere Menschen. Vielmehr hätten sie in Konferenzen oder Video-Calls Filter und andere digitale skills eingesetzt, um Standards zu entsprechen.

    Es gibt einen Weg heraus über Selbsthilfe oder professionelle Hilfe. Spezielle Werkzeuge können aus der Isolation helfen, Gefühle und Gedanken zu orten sowie Brücken zu anderen Menschen zu bauen. Mitunter können das spaßige Methoden wie das Menschen-Bingo sein. Das Ziel aber lautet immer mit anderen in Kontakt zu kommen.

    Prof. Dr. Sonia Lippke lehrt an der Constructor University Bremen Gesundheitspsychologie und Verhaltensmedizin

    Buchtipp: Prof. Dr. Sonia Lippke/Christiane Smidt: Verbunden statt einsam – Wege zu mehr Resonanz mit sich und anderen, Junfermann-Verlag 2024 

    Hier kannst du Fau Lippke in einen Fernsehinterview erleben: https://www.butenunbinnen.de/videos/gesundheitspsychologie-einsamkeit-pandemie-corona-soziale-medien-100.html

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  • Füße hoch, Serie gucken und lecker essen: Die Sehnsuchtsleere nach Feierabend ist ein wunderbares Gefühl, sagt Dr. Udo Baer. Aber es gibt auch das Drama der Leere. Sie ist ein sehr subjektives und mitunter sehr stark empfundenes Gefühl, unter dem viele Menschen ihr Leben lang leiden. Leere kann viele Ausdrucksformen haben. Letztendlich hilft, so einfach das klingt und so schwer es ist, die Kommunikation aus der Leere heraus.

    „Ich bin es nicht wert“ – das Gefühl entsteht, wenn ein Mensch nicht gehört wurde
    Menschen richten sich in ihrer Einsamkeit ein. Aber was ist der Grund dafür? Es sind frühe Verletzungen, belastende Traumata, die nicht reflektiert oder vermittelt wurden. Es ist das Gefühl, nicht gehört worden zu sein. Wenn man als Kind keine Resonanz erfährt, „dann tut das weh“, so Dr. Baer über frühe Prägungserlebnisse in der Kindheit, in der das soziale und familiäre Umfeld ein Gefühl der Minderwertigkeit vermittelt haben. Aus dem Gefühl von „Ich bin es nicht wert“ erwächst ein Gefühl der Leere. Und viele Menschen resignieren. Aber: Wir sind soziale Wesen. Wir brauchen Austausch mit Worten und Gefühlen, mit Blicken und Atmosphäre.

    Wenn man sich nichts mehr zu sagen hat …
    In einer Partnerschaft kann ebenso eine starke Leere empfunden werden. Warum haben sich Paare manchmal nichts mehr zu sagen? Das liegt an individuellen, sogar auch traumatischen Erfahrungen, die nicht richtig wahrgenommen und kommuniziert werden, sagt Baer. Leere ist nicht laut, nicht sichtbar, sie ist diffus und nicht greifbar. „Es ist gut, dafür Worte zu finden und sie auszusprechen. Wo bin ich nicht gehört worden? Diese Frage gilt es zu reflektieren und die Erfahrung zu teilen.  

    Kommunikation ist Beziehungswirksamkeit
    Die Leere mit Aktionismus zu stopfen, über den Job oder Reisen, hilft nicht. Es ist wie eine Sucht, die Leere holt einen immer wieder ein. Doch wie kann man sie füllen? Durch Kommunikation auf allen Ebenen, sagt Dr. Udo Baer. Durch Kommunikation mit anderen und der Erfahrung, dass Menschen wirksam sind. Das kann durch Reden, Malen, Tanzen oder über die Musik geschehen, wenn wir über die Sinne in die Aktion kommen. „Dann geschieht Beziehungswirksamkeit“.

    „Ich nehme dich ernst!“
    Wirksam werden wir schon, wenn wir auf die Frage nach dem „Wie geht es dir?“ ernsthaft antworten.  Es ist wichtig, in das Gefühl zu gehen, dem Herzen achtsam zu folgen, zu sagen und zu zeigen, dass ich mein Gegenüber ernst nehme, dass ich seinen Kummer würdige, auch wenn ich ihn davon nicht befreien kann. Auch ein vererbtes Trauma kann ein Herz leer machen. Selbstwirksamkeit, Meinhaftigkeit und Würde sind drei große Aspekte, die Dr. Baer in dem Gespräch beleuchtet. Es gibt sogar konkrete Übungen, mit denen wir unser Bewusstsein schärfen können.    

    Dr. Udo Baer ist Gesundheitswissenschaftler, Therapeut und Heilpraktiker für Psychotherapie. Er ist Begründer der Kreativen Leibtherapie und hat mit Claus Koch das Pädagogische Institut in Berlin gegründet.

    Buchtipp: „Das Drama der Leere – Wie wir der Leere begegnen und unser Herz heilen können“, Klett-Cotta 2024

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  • 30 Prozent der Menschen sind rein statistisch gesehen hochsensibel. Hochsensibilität aber ist eine sensible Angelegenheit, denn sie ist ein sehr individuelles Empfinden. Was bedeutet das für unser Zusammenleben? Inwieweit ist Hochsensibilität in unserer Gesellschaft angekommen, wie steht es um das Selbstverständnis und das Selbstbewusstsein von hochsensiblen Menschen? Und wie letztendlich gelingt ein umsichtiger Umgang miteinander, von dem beide profitieren? Antworten geben der Psychotherapeut und Autor Tom Falkenstein und Ulrike Hensel, Autorin und Coach für Hochsensible.

    Hochsensibilität bahnt sich den Weg in die Gesellschaft

    Hochsensibilität wird in unterschiedlichen Ausformungen erlebt. 40 Prozent kommen gut mit ihr zurecht, 30 Prozent sind weniger sensibel ausgestattet. Die Akzeptanz der Hochsensibilität ist größer geworden, dennoch wird sie von Unsicherheit und manchmal sogar Abwehr auf beiden Seiten begleitet.  Hochsensible Menschen leiden schneller unter einer Reizüberflutung. Ist es zu laut, zu trubelig, zu hektisch, dann ziehen sie sich gerne zurück. Aber: Hochsensibilität kann sehr bereichernd sein. Sie sollte nicht als Einschränkung empfunden werden.

    Hochsensibilität kommunizieren

    Damit sie Wertschätzung erfahren und ihren Platz in der Gesellschaft finden, empfehlen ich zweierlei Dinge: die Selbstreflexion auf der einen und die Rücksichtnahme auf der anderen Seite. Aber: Sie muss kommuniziert werden. Für die hochsensible Person ist es gut, in Selbstverantwortung und Selbstfürsorge zu gehen. Für ein gutes Miteinander bedeutet es, nicht nur an die Rücksicht des Gegenübers zu appellieren, sondern sich ggf. auch zurückzunehmen. In jedem Fall sollte Hochsensibilität kommuniziert werden, denn – wie der Kommunikationspsychologe Friedemann Schulz von Thun sagt: „ist Selbstklärung die Voraussetzung für eine klare und kraftvolle Kommunikation“.

    Zum Weiterlesen

    Ulrike Hensel: Hochsensibel sein

    Ulrike Hensel: Hochsensibilität verstehen und wertschätzen (mit Selbsttest!)

    Tom Falkenstein: Hochsensible Männner

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  • Tinnitus, Migräne, Rückenschmerzen: Oft sind es psychosomatische Beschwerden, die uns von einem Arzt zum nächsten rennen lassen. Ein Medikament soll erst einmal helfen. Doch dabei werden in der Regel die Symptome, nicht aber die Ursachen bekämpft, sagt Dr. Ingo Schymanski, der klare Worte gegen eine überdimensionierte Medizin hin zu einer Autonomie des Patienten findet. „Die Medizin hat immer eine Pille gegen irgendetwas. Hören wir aber auf die Signale unseres Körpers, auf die Sprache unserer Seele und verändern wir unser Welt- und Selbstbild, können psychosomatische Beschwerden verschwinden“, sagt der Psychotherapeut und auch, dass die Medizin chronische Krankheiten schaffe, statt Werkzeuge für mehr Autonomie und Mündigkeit. Gleichzeitig plädiert der Arzt und Autor für mehr Achtsamkeit, Bescheidenheit und Dankbarkeit für das, was wir haben.

    Den Menschen in seine Kraft bringen

    Psychosomatik gewinnt immer mehr an Bedeutung. Die Forschung hat erkannt, dass die Seele Einfluss hat auf unser körperliches Wohlbefinden. Unser medizinisches, auf Evidenz basierendes System allerdings ist darauf nicht eingestellt. „Die Pille verkauft sich besser, als sich selbst zu helfen“. Geht es der Seele gut, geht es auch dem Körper gut. Natürlich helfe der psychosomatische Ansatz nicht bei allen Krankheiten, aber doch bei erstaunlich vielen Symptomen. Schymanski nimmt kein Blatt vor den Mund: Es gelte, den Menschen in seine Kraft, in seine Gesundheit und letztendlich auch in eine stärkere Unabhängigkeit vom Arzt zu bringen – auch wenn das kontraproduktiv zur Pharmaindustrie und der Ärzteschaft steht.

    Ursachen liegen oft im psychosozialen Bereich

    In seiner Praxis beobachtet Schymanski Patienten mit Problemen, die nicht körperlich sind. Rückenschmerzen haben oft Ursachen im psychosozialen Bereich. Lässt sich jemand mobben, reagiert der Körper mit Stresssymptomen. Nimmt man sie ernst und wahr, dienen sie dazu, „das Leben zu optimieren“. Tauchen verstärkt wieder Ohrgeräusche oder Verspannungen, dann besser mal eine Pause oder Urlaub machen.

    Die Angst vor Krankheit kann krank machen. „Der immerwährende Druck ist ein gesellschaftliches Problem. Wir sollten anders leben, als das System es uns vorgibt“, so Schymanski. Dabei heißt „Nein“ zu sagen auch, sich mehr Anerkennung zu schaffen. „Mit weniger Stress kann man sehr wohl erfolgreich sein“. Sein Rat: die Angst besiegen, wenn sie sich zeigt. Medikamente nutzen nur im Moment, ersparen aber nicht die Konfrontation.

    Das Signal erkennen und die Seele zu neuem Leben erwecken

    „Es muss das Herz sein“, meint der Patient. Wenn Probleme zum Arzt führen, sind sie reif gelöst zu werden, sagt Schymanski. Eine psychische Belastung beruflicher oder auch familiärer Art weisen Menschen gerne von sich und begeben sich in die Mühle der Medizin. Ihre Seele leidet, weil sie an tradierten über Generationen weitergegebenen Glaubenssätzen festhalten. „Wird da reflektiert, brechen plötzlich Tränen aus“, weiß Schymanski. Jetzt ist es an der Zeit, neue Werte zu entwickeln und die Seele neu zum Leben zu erwecken.

    Buchtipp: Dr. Ingo Schymanski: „Die Sprache der Seele“, Klett Cotta-Verlag 2024 

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  • Was ist Achtsamkeit? Der Begriff ist ein wenig in Ungnade gefallen. Die einen suchen mit ihrer Hilfe den Seelenfrieden, andere werten sie als Esoterik-Kram ab. Achtsamkeit wird schnell in einen Topf geworfen mit Yoga und Meditation und Übungen, die uns ins Hier und Jetzt tragen und innere Erfüllung bringen sollen. Doch Achtsamkeit ist mehr als die Anwendung bestimmter Techniken. „Sie ist ein langer geistiger Prozess, eine Lebenseinstellung. Sie ist ein Suchen und Finden, eine tiefe Sehnsucht nach den wesentlichen Fragen des Lebens, sagt Renato Kruljac. Er ist Achtsamkeitstrainer und hat nach zwei Jahrzehnten als Führungskraft bei einem internationalen Konzern die Segel gestrichen, um sich der professionellen Achtsamkeitspraxis, fernöstlichen Kampkünsten und psychologischen Methoden zu widmen. Ernsthaft praktiziert, sagt er, ist die Achtsamkeit ein ständiger Begleiter, an der wir wachsen können.

    Kraft, die sich aus der Beobachterrolle entwickelt

    Wir müssen lernen, loszulassen von starren Konzepten, von Identifikationen und Vorstellungen, von Glaubenssätzen innerhalb eines gesellschaftlichen Systems, die uns geprägt haben, sagt er. Der Weg zur Inneren Freiheit geht über die Stille, das geistige Fasten, über das Zuhören und die Disziplin. „Wenn wir unser Alarm-, Antriebs- und Fürsorgesystem in Balance halten, werden wir die Früchte der Achtsamkeit ernten“. Achtsamkeit erlernt man zwar auch, aber eben nicht nur durch Techniken zur Entspannung im Hier und Jetzt oder sportlichen Übungen.  „Sie ist ein geistiger Prozess, eine transformative Kraft, die sich aus der Beobachterrolle heraus entwickelt“, sagt Kruljac. Aber Achtung: Woran erkenne ich den Meister unter den Scharlatanen? Indem ich in die Begegnung mit dem Lehrenden gehe. Lebt er das, was er sagt? Ist er authentisch? Spüre ich Wärme, darf ich sein? Einen guten Lehrer erkennt man an seinen Schülern, so Kruljac.

    Abstand nehmen, die Perspektive ändern und sich selbst freundlich begegnen: Das funktioniert durch Achtsamkeitsmethoden wie der Atemmeditation oder anderen Konzentrationsübungen. Sie beschreiben das „Was“,  bringen uns in die Präsenz, erden und verorten uns. In Verbindung mit Übungen zum „Wie“, die mich lehren, meine Gedanken freundlich zu akzeptieren, findet der Mensch zur Balance. Es gibt viele Arten der Meditation, die das Ziel der Erleuchtung haben, führt Kruljac weiter aus. Was sie ist? „Für mich bedeutet die Erleuchtung das Urvertrauen“, Und wie lautet das Rezept dazu? „Dem Herzen folgen und ins Fühlen kommen. Der Körper sagt uns oft mehr als der Verstand“. 

    Buchtipp: Renato Kruljac: „Achtsamkeit für Skeptiker“, Schattauer-Verlag 2024

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  • Über 38 Millionen Menschen in Deutschland hatten seit 2020 eine Covid-Infektion. Zehn bis 45 Prozent davon können Langzeitfolgen entwickelt. Das sind 3,8 bis 17 Millionen Betroffene, die ihre Symptomatik oftmals nicht einordnen können und auf eine Diagnose, geschweige denn Therapie warten. Das Health4Future-Projekt, das Dr. Philomena Poetis und ihre Schwestern entwickelt haben, ist nicht nur ein wissenschaftliches Projekt, um die Studienlage zu erweitern, sondern gibt Betroffenen ganz konkrete Hilfestellung.

    Fragebogen liefert Daten für Betroffene und Ärzteschaft

    Über einen Fragebogen mit knapp 200 Fragen wird zur Erstellung eines Health-Compass die Symptomatik klar eingegrenzt. Ob Long Covid, Post Vac oder Chronisches Erschöpfungssyndrom:  Der Bogen liefert im ersten Schritt der Ärzteschaft wertvolle Daten zur schnelleren Diagnostik. Unter anderem wird gezielt zur Corona-Erkrankung oder nach medizinischen Vorerkrankungen gefragt. Gleichzeitig aber gibt der Health-Compass den Betroffenen wichtige Therapie-Tools mit an die Hand, die helfen, mit den Einschränkungen besser umzugehen und den Alltag besser zu meistern.

    Das Pacing-Tagebuch

    Das Pacing-Tagebuch hat sich als ein sehr gutes Therapiewerkzeug erwiesen. Zwar ist die Pacing-Methode als Therapiewerkzeug bekannt, eine wirklich strukturierte Vorlage hat es bislang noch nicht gegeben. In klar strukturierter Form und zeitlich gegliedert kann der Betroffene in diesem Tagebuch Einträge vornehmen, die seinem Energiehaushalt entsprechen und ihn nicht überfordern. So wird die Gefahr eines Ausfalls – Crashs - bedeutend geschmälert.

    Außerdem stehen auf der Plattform www.health4future.com Meditationen, Yoga-Videos zur körperlichen Reaktivierung oder Hintergrund-Informationen zu Behandlungsmethoden, etwa der Schlafhygiene, bereit. Diese Angebote sind kostenfrei, für den Health-Compass oder das Tagebuch etwa wird eine Bearbeitungsgebühr erhoben.   

    „Wir wissen nicht, was wir nicht wissen, darum ist die offene und vertrauensvolle Erhebung umfangreicher Daten so wichtig für neue Erkenntnisse und den Umgang mit den neuen Erkrankungen. Wir möchten bei der Genesung helfen“, so Dr. Poetis über ihr Engagement und das Projekt.

    Dr. Philomena Poetis ist Gründerin und Geschäftsführerin von Health4Future und erarbeitet im Familienunternehmen digitale medizinische Projekte. Sie ist Wissenschaftlerin und promoviert an der LMU

     

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  • Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz: Sie zu erhalten ist ein wichtiges Gut und Aufgabe von Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen. Wer da im verstärkten Maß eine Diskrepanz zwischen seiner Liebe zum Beruf und realen Bedingungen erlebt, kann psychosomatische Folgen davontragen. Sven Steffes-Holländer ist Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie Gutachter für psychische Gesundheit am Arbeitsplatz und erläutert das komplexe Zusammenspiel von Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen für eine wohlwollende Unternehmenskultur.

    Benefits und digitale Resilienz

    Sven Steffes-Holländer motiviert zu mehr Mut, Flexibilität und Selbstvertrauen und plädiert für einen konstruktiven und offenen Dialog auf Augenhöhe. Im Gespräch geht es um Stressmanagement und Resilienztraining, darum, wie man Anzeichen von Stress und Belastung erkennen und entgegenwirken kann. Es geht um digitale Resilienz, Geschwistergerechtigkeit, Körper- und Kreativtherapie, den E-Mail-Knigge, um Großraumbüros und das Tanzen mit Kollegen. 

    Mehr Selbstmitgefühl und geschulter Blick der Führungskräfte

    Arbeitgeber:innen müssen sich aufgrund des demografischen Wandels im Bereich der mentalen Gesundheit aufstellen – mit niederschwelligen psychotherapeutischen Angeboten, Beratungs- oder Coachingkontingenten, sagt Steffes Holländer,. „Grünpflanze und Obstkorb reichen da nicht mehr aus.“ Benefits wie Massagen und Meditations- und Sportangebote sind das eine. Das andere ist der Blick auf das eigene Selbstmitgefühl. Was tut mir gut, was brauche ich? Da ist der innere Kampf gegen kritische Instanzen, gegen Perfektionismus und hohe Ansprüche gefragt, der Blick auf das eigene Potential, aber auch der achtsame Blick der Führungskräfte. Manche Mitarbeiter:innen sehen keine Notwendigkeit in Pausen: Aufgabe von Führungskräften ist es, Ressourcen des Einzelnen mit einzubeziehen sowie Aufgaben transparent, gerecht und nachvollziehbar zu verteilen.

    Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu werden

    „Frei nach dem Zitat von Mark Twain `Gib' jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu werden` liegt es in unserer Macht, Veränderungen herbeizuführen und das Leben aktiv zu gestalten“, motiviert Steffes Holländer. Der Arbeitsmarkt gebe diese Möglichleiten her. Wem es trotz seines Bedürfnisses nicht gelingt, eine neue Tür aufzustoßen, dem bieten sich Unterstützungsangebote.

    Sven Steffes Holländer ist Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Chefarzt der Klinik Heiligenfeld in Berlin und als Gutachter, Fachberater und Lehrbeauftragter für seelische Gesundheit am Arbeitsplatz 

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  • Wenn Kinder etwas Schlimmes erfahren, den Tod eines lieben Menschen, einen Unfall oder sogar sexuelle Gewalt, dann kann das die Seele stark belasten und sogar im späteren Verlauf des Lebens zu psychischen Erkrankungen führen. Je früher ein Trauma bei einem Kind oder Jugendlichen erkannt wird, desto besser greift die Therapie, weiß Traumatherapeut Dr. Patrick Fornaro.

    Modelle und Methoden der Traumatherapie

    Traumatische Erfahrungen tauchen häufiger auf als man denkt. Laut einer Schweizer Studie haben 50 Prozent aller unter 18-Jährigen ein traumatisches Erlebnis gehabt. Wobei viele Kinder eine Resilienz entwickeln und nicht darunter leiden, sagt Dr. Fornaro, der sowohl Symptome aufzeigt, die erkennen lassen, ob das Kind unter einem Trauma leidet, als auch Methoden und Modelle, die in der Therapie erfolgreich angewendet werden.

    Das Gehirn neu ordnen und einen Anker in der Gegenwart schaffen

    Eine wichtige Rolle im Verarbeitungs- und Veränderungsprozess des Gehirns spielen Bilder. Sie helfen dabei dem Kind zu erklären, was mit ihm los ist. Hilfreich etwa ist das Bild des unaufgeräumten Kleiderschranks, der neu geordnet wird, so Fornaro. Es gilt, das Kind wieder ins Hier und Jetzt zu holen, ihm einen Anker in der Gegenwart zu schaffen. In der Konfrontation mit dem Erlebten sollen sie erfahren, dass sie in einem geschützten Raum mit einer vertrauten Person darüber sprechen können. „Das Trauma, die Gefahr ist vorbei. Das Alarmsystem darf sich beruhigen“, nennt Dr. Patrick Fornaro Therapiemöglichkeiten und Anlaufstellen.

    Unterversorgung der psychologischen Versorgung

    Gleichzeitig zeichnet der Traumaexperte ein klares Bild der Unterversorgung der psychologischen Versorgung von traumatisierten Kindern und Jugendlichen in Deutschland auf. Zwei Jahre Wartezeit stünden angesichts sensibler Entwicklungsphasen einer hilfreichen Therapie gegenüber.  Leider werde die Traumatherapie auch in der Ausbildung nicht hinreichend berücksichtigt.

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    Dr. Patrick Fornaro ist Diplom-Psychologe und Traumatherapeut, Dozent und Supervisor in der Weiterbildung von Therapeuten, Coaches und Fachkräften. Er arbeitet in einer Klinik für Traumatherapie in der Nähe von München. 

    Buchtipp: Dr. Patrick Fornaro, Nicole Szesny-Mahlau und Johanna Unterhitzenberger: Traumatherapie mit Kindern und Jugendlichen. Eine Orientierungshilfe für die Behandlung der komplexen PTBS. Junfermann-Verlag 2024

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  • Mit den Covid-Jahren, Long-Covid und Post-Vac ist das Chronische Erschöpfungssyndrom, auch „Chronisches Fatigue-Syndrom" genannt stärker ins Bewusstsein gerückt. Zwei, die darunter leiden sind Andrea Brackmann und Katharina Jänicke. Bei ihnen ist nicht Corona, sondern eine lang zurückliegende Infektion Grund dafür, dass sie ihren Alltag nur stark eingeschränkt bewältigen können. Beide haben die Pacing-Methode für sich entdeckt, die es zwar schon länger gibt, aber im Zusammenhang mit Corona mit guten Erfolgen angewandt wird.

    Über chronische Erschöpfungszustände

    Andrea Brackmann und Katharina Jänicke berichten aus der Perspektive der eigenen Betroffenheit heraus und geben gleichzeitig Hilfestellung. Sie erzählen von ihren Symptomen, von niederschmetternden, aber auch 100aufhellenden Phasen ihres eher „unsichtbaren“  Chronischen Erschöpfungssyndroms (ME/CFS), deren Ursachen Corona, aber auch eine Influenza oder das Pfeiffersche Drüsenfieber sein können. Bis zur Diagnose kann es lange dauern. Heilbar ist das ME/CFS nicht, man kann aber die Symptome lindern. 

    Long-Covid und das ME/CFS sind sich in ihren Symptomen ähnlich. Zu ihnen zählen Geruchsirritationen, Verwirrtheit, Brain-Fog oder Entkräftung. Energielos und komplett ans Bett gefesselt zu sein, weil der Körper bereits mit alltäglichen Aufgaben überfordert ist: davon erzählen die beiden genauso, wie davon, zu lernen, mit Energien zu haushalten.

    Wie Pacing helfen kann

    Die Pacing-Methode, die bislang nur in wenigen Fatigue-Kliniken oder auch Psychotherapie-Praxen angewandt wird, setzt auf Selbstbeobachtung und Selbstwahrnehmung. Ziel ist, zunächst in sich hineinzuhorchen, um dann mit spezifischen Strategien sich selbst zu steuern und den Tag so zu strukturieren, ohne sich zu überfordern. Dazu gehören den Puls zu beobachten, mehr Pausen einzulegen oder Aktivitäten zu verändern wie beim Zubereiten von Mahlzeiten den Stuhl zu benutzen, statt zu stehen.

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    Katharina Jänicke hat einen Master in Clinical Casework und verfügt über umfassende Kenntnisse und Fähigkeiten im Bereich der klinischen Sozialarbeit.
    Andrea Brackmann ist Psychologin und Verhaltenstherapeutin. Gemeinsam haben sie ein Buch über die Pacing-Methode geschrieben. 

    Buchtipp: Andrea Brackmann, Katharina Jänicke: „Long Covid und Chronisches Erschöpfungssyndrom lindern“, Klett Cotta-Verlag 2024

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  • Wenn wir trauern, ist die Welt nicht mehr dieselbe. Der Verlust eines Menschen, aber auch eines Lebensabschnitts, eine Scheidung oder das Kind, das ausgezogen ist, lassen uns fühlbar alleine zurück.  Rituale helfen uns die Trauer in etwas Positives zu verwandeln – sagt Joanna Lisiak. Die Schweizer Schriftstellerin hat sich intensiv mit dem Thema der Trauerrituale beschäftigt. Sie sagt: Rituale lassen uns in die Selbstreflexion gehen und helfen uns, Gefühlen einen inneren und äußeren Raum zu geben. Wir lernen zuzulassen und in Verbindung zu gehen.  

    Mit Ritualen in Verbindung gehen

    Rituale begleiten uns seit Anbeginn der Menschheit. Gerade in der Trauer sind sie wichtig. Sie lassen uns fühlen, das wir in Verbindung stehe – mit uns, mit einem verstorbenen Menschen und Menschen, die uns begleiten. Mit ihnen gehen wir in die Selbstreflexion und wir spüren, dass wir unser Leben wieder in die Hand nehmen können, in dem wir in Verbindung mit uns und anderen gehen. Joanna Lisiak spricht nicht von definierten Trauerphasen, vielmehr von einem milden Rückblick auf das was war und auf einen würdigen Umgang mit den eigenen Gefühlen. Rituale bringen Gefühle in Fluss. Sie sind wie eine Insel, eine Auszeit, ein kleines Fest, sagt die Autorin, die im Zelebrieren der Rituale etwas Größeres findet, als das eigene Leben. Sie geben ihr die Möglichkeit, das Göttliche mit einzubeziehen.

    In die Dankbarkeit gehen

    Joanna Lisiak nennt Rituale für alle fünf Elemente. Rituale können sein, Blätter zu sammeln, einen unsichtbaren Brief zu schreiben oder in den Dialog zu gehen: mit sich selbst oder einem verstorbenen Menschen. Oder auch die Wut in einen Eimer zu brüllen. Es gilt, Gefühle und Dinge zuzulassen, um sich verabschieden zu können.

    Auch wenn die Gefühle immer wieder hoch kommen: „Alles geht vorbei“, macht sie Mut, sich nicht in Gefühlsspiralen zu verheddern, sondern in die Dankbarkeit zu gehen. „Man ist nicht im Nichts“, sagt sie. Vielmehr sind wir umgeben von vielen kleinen schönen Momenten, Dingen und Menschen, die uns glücklich machen. „Wir sind nicht allein, sondern verbunden“.    

    Joanna Lisiak ist Schriftstellerin und lebt in der Schweiz. Das Buch über Trauerrituale ist ihre mittlerweile 33. Publikation.

    Buchtipp: Joanna Lisiak, „Trauerrituale - In neuer Form verbunden“, Junfermann Verlag 2024

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  • Jedes vierte bis fünfte Kind wird in einer suchtbelasteten Familie groß. Ein Drittel entwickeln psychische oder soziale Störungen in Form von Depressionen, Angst- oder Persönlichkeitsstörungen. Dunkelziffer nicht mit eingerechnet. Für mehr Unterstützung von suchtbelasteten Familien und ihren Kindern wirbt Angela Schmidt, Referentin an der Fachstelle für Familien, Suchtprävention Berlin. Nicht nur mangelt es an Ressourcen und Geld, sagt sie. Ein Problem ist auch, die Angebote an die richtige Zielgruppe zu bekommen. .Ihr Fazit: Es muss noch mehr passieren, auch auf struktureller Ebene.

    Das Hilfsangebot muss die Menschen erreichen

    Verhaltenssüchte wie Glücksspiel und Medianabhängigkeit nehmen zu. Alkoholabhängigkeit ist die am weitesten verbreitete Sucht. In der Statistik landen letztendlich aber nur die, die bereits im Hilfesystem sind. Bis Kinder und Eltern suchtbelasteter Familien tatsächlich ein Hilfsangebot wahrnehmen, braucht es Zeit. Deswegen, weil nicht nur das Thema Sucht immer noch tabu ist, sondern auch, weil Eltern gegenüber ihren Kindern Schuldgefühle haben und nicht als schlechte Eltern dastehen möchten. Sie müssen in ihrer Erziehungskompetenz gestärkt werden.

    Kinder und Eltern in ihrer Selbstwirksamkeit stärken

    Und was ist mit den Kindern? Die Tendenz, dass sie später mehr Verantwortung für Ihre Eltern oder auch in einer späteren Bindung übernehmen, ist groß. Auch das Risiko, in eine Co-Abhängigkeit mit einem Partner zu geraten. Es treten Verlustängste auf und der Drang, alles perfekt machen zu wollen. Das aber sei nicht zwingend so, sagt Angela Schmidt. In welcher Form Kinder traumatisiert aus einer suchtbelasteten Familie hervorgehen, hängt von individuellen Faktoren – etwa der Resilienzfähigkeit – ab. Ist das Bewusstsein da, gelte es, „ins Handeln, in den Austausch zu kommen mit Kindern und Eltern. Man muss ihnen signalisieren, dass sie sich Hilfe holen dürfen und können“. Ziel ist es, ihre Selbstwirksamkeit zu stärken. Das geschieht bei Kindern insbesondere durch aktionsgestützte oder auch tiergestützte Projekte.   

    Es gibt Hilfe. Schulsozialangebote etwa oder bundesweite zentrale Anlaufstellen. Vor allem können niederschwellige Online-Chat-Angebote und andere Portale hilfreich sein und Zugang zu Hilfsangeboten vermitteln. Angela Schmidt erzählt.

    Angela Schmidt ist Referentin der Fachstelle für Suchtprävention Berlin gGmbH und ist Teil des Fachteams Suchprävention von "Kompetent gesund" in Berlin.

    Weitere Infos findetst Du hier:
    www.kompetent-gesund.de

    www.berlin-suchtpraevention.de

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  • ADHS gibt es auch bei Erwachsenen. „Nur wird es nach einem langen Leidensweg erst spät erkannt“, sagt Astrid Neuy-Lobkowicz, Fachärztin für Psychosomatik und Psychotherapie und Mitgründerin des ADHS-Zentrums München. Sie richtet nicht nur ihr Augenmerk auf eine schnellere Diagnostik, sondern richtet auch einen dringenden Appell an die Ärzteschaft, denn: das Wissen um die Behandlung von ADHS – einer Unterform von ADS – ist da. Sie ist in einem internationalen Diagnoseschlüssel festgelegt. Demnach können eine richtige Medikation und Tools zur Strukturierung des Alltags helfen, die Störung in den Griff zu bekommen. Und: ADHS ist keine Modediagnose.

    Medikamente und Methoden bringen Erfolgserlebnisse

    ADHS ist genetisch veranlagt. Damit wird man geboren. Was aber kein Grund zur Verzweiflung ist, denn es gibt Selbsthilfe-Tools, mit denen sich der Alltag besser strukturieren lässt. Betroffenen mangelt es an Konzentrationsfähigkeit. Hier können auch Medikamente die richtige Wahl sein, um sich besser zu fokussieren und z.B. ablenkende Nebengeräusche auszublenden. Und es gibt Methoden, die helfen, Ordnung zu halten. Beides befähigt den Menschen, sich ganz normal in der Gesellschaft zu etablieren. Im Job und im Privatleben. Mit dem Gefühl des Erfolgs wachsen Akzeptanz und Selbstwertgefühl.    

    ADHS in der Ärzteschaft mehr wahrnehmen und etablieren

    Es muss ein Umdenkungsprozess stattfinden, fordert Neuy-Lobkowicz Kolleg:innen auf, ADHS aus der Tabu-Zone herauszunehmen, Fortbildungen wahrzunehmen und Patienten entsprechend zu fördern. Das Störungsbild ist klar belegt, werde aber nicht umgesetzt. „Viele erhalten die falsche Therapie und werden in ihrer Besonderheit nicht erfasst“, fordert sie auf, das Thema wahrzunehmen. Leider ziehe eine oft falsch behandelte Störung Begleiterscheinungen wie Depression, Borderline oder Bipolarität nach sich. „Mit der richtigen Diagnose und Therapie bekommt der Betroffene endlich eine Erklärung für sein Anderssein“. 

    ADHSler haben ein besonderes Stärke- und Schwächeprofil. Frauen weisen andere Symptome auf als Männer. Sie sind meist unauffälliger und weniger hyperaktiv als Männer. Symptome sind starke Stimmungsschwankungen, Impulsivität und das Gefühl, verletzt zu sein. Aber: ADHSler sind originell, kreativ und nicht nachtragend. Das Miteinander kann man erlernen – auch in einer Partnerschaft.  

    Dr. med. Astrid Neuy-Lobkowicz ist Fachärztin für Psychosomatik und Psychotherapie und Mitgründerin des ADHS-Zentrums in München. Sie führt zwei Praxen in Aschaffenburg und Münchenund beschäftigt sich seit über 25 Jahren mit dem Thema ADHS bei Kindern und Erwachsenen. Sie ist selbst Betroffene und Mutter von fünf Kindern, von denen drei eine ADHS haben. Zusammen mit anderen Kollegen und Kolleginnen hat sie das ADHS-Zentrum München gegründet.

    Buchtipp: Astrid Neuy-Lobkowicz: ADHS - Erfolgreiche Strategien für Erwachsene und Kinder“, 11. aktualisierte und erweiterte Auflage, Klett Cotta 2024

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  • Es hat Jahre gedauert, bis bei Anja Matthausch eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung – kurz ADHS - diagnostiziert wurde. Auch wenn die Veranlagung bereits von Geburt an mitgegeben wird, so zeigen sich gerade bei Frauen die Symptome oft nicht eindeutig. Bei ADHS liegt eine neurologische Veränderung im Gehirn vor. Es ist eine Stoffwechselstörung, keine psychologische Störung. Und sie ist sehr individuell ausgeprägt. Anja Matthausch veranschaulicht am eigenen Beispiel, wie sie ihren Alltag mit ADHS gestaltet. Was den Umgang mit ADHS angeht, gehören Akzeptanz und liebevolle Anerkennung unbedingt dazu. Zu wenig wahrgenommen werde das Thema in der Öffentlichkeit. Ihr war es ein Herzenswunsch, ihr Anliegen mitzuteilen.

    Das ADHS-Gehirn möchte überall hin, nur nicht geradeaus

    Eine große Herausforderung ist das Energiemanagement. ADHSler sind schneller erschöpft. Alles kostet mehr Energie und wird eher anstrengend als bei normalen Menschen. Es fällt schwer, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun oder in zu schneller Abfolge. Ein Bild, das die Schwierigkeit mit ADHS verdeutlicht, ist, dass man auf der Autobahn fährt und ständig das Auto mit dem Lenkrad wieder zurück auf die Spur bringen muss. „Die Natur des ADHS-Gehirns ist, dass es überall hinmöchte, nur nicht geradeaus“, sagt Anja Matthausch.

    Warum ADHS bei Frauen schwierig zu diagnostizieren ist

    Weibliche Hormone und damit verbundene Zyklusschwankungen oder Emotionen erschweren die Diagnostik bei Frauen. Es gibt kein stabiles Symptombild. Hinzu kommt die Sozialisierung. Während Männer dahin tendieren, eher zu delegieren, haben Frauen einen zu hohen Anspruch an sich selbst und nehmen zu viele Dinge an. Verhaltensweisen werden oft als Persönlichkeitsmerkmale verstanden, auch vom ADHSler selbst. Dies im Umfeld zu kommunizieren ist eine weitere Aufgabe. Nach außen benennt sie ihre Störung selten. Eher kommuniziert sie es über die Bitte zur Hilfestellung.

    Kein Zeitgefühl – Tools für den Alltag

    Struktur ist ein großes Wort im Kontext von ADHS. Wichtig ist es, Leitplanken, innere Strukturen zu schaffen. ADHSler können sich nur schlecht lenken und dies nur mit größerem Aufwand. Es gibt nicht den linearen Weg. Viele Dinge müssen sie anders angehen. Darum braucht es Hilfestellungen. Auch deswegen, weil ADHSler kein gutes Zeitgefühl haben. Etwas passiert jetzt, oder irgendwann. Methoden, welche den Alltag erleichtern können, sind die Zeit fühlbar zu machen. Sinnvoll sind Kalender und Timer-Systeme, aber auch digitale Tools und Blätter Papier, auf denen alles festgehalten wird, was nicht behalten werden kann.

    Mit oder ohne Medikamente und Bewegung für die Ruhe

    Je nach Ausprägung kann der Einsatz von Medikamenten minimiert werden. Er kann aber auch sehr hilfreich sein, sagt sie. Um mit weniger auszukommen, brauche es ein Umfeld, das genügend Freiraum bietet, um eigene Strukturen setzen zu können. Ein zu begrenztes Umfeld schränkt ADHSler ein.  Zur Ruhe kommt Anja Matthausch über körperliche Aktion. Hilfreich sind moderates Training wie Yoga, Radfahren oder Joggen. So bekomme sie Ruhe in den Kopf. Das gelingt besser über die Bewegung, als über mentale Gedankenarbeit. Förderlich ist auch ein minimalistischer Lebensstil. „ADHSler können nicht gut priorisieren. Darum ist es besser, nicht alles zu voll zu packen. Je weniger Entscheidungen ein ADHSler treffen muss, umso besser“, sagt Anja Matthausch.

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  • Um die ganzheitliche Betrachtung und die komplexe Interaktion von Fühlen, Denken, Spüren und Handeln, geht es in dieser Folge mit Daniela Botz und Karolin Friese. Die beiden Psychotherapeutinnen rücken die Bedeutung des Zusammenspiels von Körper und Psyche in den Fokus. Sie haben eine alltags- und praxistaugliche Mischung ziel- und lösungsorientierter Techniken zusammengestellt, mit denen wir Gefühle regulieren können. Diese körperzentrierten Übungen umfassen Yogaelemente, achtsamkeitsbasierte Techniken und hypnotherapeutische Methoden.  

    Durch das Erleben von Gefühlen resilient werden

    Ohne unsere fünf Sinne können wir nichts wahrnehmen und nichts fühlen. Und ohne unser Gehirn gibt es kein Bewusstsein. Wir erfahren, wie wir durch unser zentrales Nervensystem Emotionen aktiv wahrnehmen und spürbar machen können. Mit emotionalen und psychischen Verhaltensweisen können wird unser inneres Erleben und umgekehrt unsere Verhaltensweisen durch Mimik und Gestik verändern. 

    Stressreaktionen abbauen, in dem wir in Verbindung mit und die Aktion gehen

    Psychosozialer Stress bringt uns in emotionale Bedrängnis. Die Auslöser dafür sind komplex. Krisen und Beziehungen belasten uns. Gerade dann stoßen wir an die Grenzen unserer Widerstandsfähigkeit. Wie resilient sind wir und wie können wir uns vor Stressreaktionen schützen? Das gelingt mit körperzentrierten Übungen. Die beiden erläutern, wie. Indem wir lernen, uns selbst in einen Zustand zu bringen, in dem wir eine Verbindung zu uns selbst aufbauen und uns als Gesamtheit erleben. Haben wir einen Tunnelblick, sind wir chaotisch oder aggressiv, sind wir nicht mehr empathisch und mit uns verbunden. Diesen Zustand heißt es aufzugreifen, ihn zu akzeptieren und mit der Emotion mitzugehen, indem ich ihr nachgebe, ich laufe, boxe, schreie, bis die Spannung im Körper abgebaut ist und sich ein Gefühl der Ruhe und Sicherheit einstellt. Diesen Zustand zu erreichen ist das Ziel.

    Den Darm gut versorgen und richtig atmen

    Unser Darm ist durch den Vagusnerv unmittelbar mit dem Gehirn verbunden. Der Darm ist das zweite Gehirn und reagiert, wenn wir emotional stark reagieren, etwa durch Bauchgrummeln. Wird das Gleichgewicht stabilisiert, kann das Wohlfühlhormon Serotonin im Darm synthetisiert werden. Das gelingt umso mehr mit guten Bakterien, die durch Ernährung und Bewegung gefördert werden. Auch die Atmung hilft. Wir atmen oft zu viel und zu flach, was das Säure-Basen-Verhältnis aus dem Gleichgewicht bringt. Mit einer sanften Bauchatmung kann der perfekte pH-Wert gehalten werden. Auch wird der Herzschlag reguliert.

    Medientipp: „Körperorientierte Emotionsregulation“. Ein Kartenset zur praktischen Anwendung von Daniela Botz und Karolina Friese. Erschienen in der Reihe der Kompetenz-Boxen von Frauke Niehues und Ghita Benaguid im Junfermann-Verlag

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